Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
du emotional gerade sehr aufgewühlt, nicht wahr? Du warst traurig, verängstigt oder verwirrt?«
Ich dachte an die Ereignisse im letzten Sommer zurück. Das erste Mal hatte ich Justine gehört, als ich nach dem Begräbnis allein in unser Ferienhaus zurückgekehrt war und silbernes Licht hinter mir aufblitzen sah. Danach hatte sie mich ermutigt, dem Silberlicht zu folgen, das aus der Türritze von Zaras Zimmer drang, und in dem Scrapbook mit Zaras Eroberungen zu blättern, obwohl ich am liebsten gleich wieder weggelaufen wäre. Und sie hatte mich zu Caleb geführt, als er vor seiner Verfolgerin geflüchtet war. Jedes Mal, wenn ich sie wirklich gebraucht hatte, war sie da gewesen und hatte mir geholfen … genau wie früher, als sie noch am Leben gewesen war.
Charlotte deutete mein Schweigen als Zustimmung und fuhr mit ihrer Erklärung fort.
»Manchmal handeln unsere Körper ohne unser bewusstes Zutun, und genau das ist geschehen, als du Justine gehört hast. Deine Trauer war stark genug, um dir eine Stimme vorzugaukeln, die nicht wirklich da war. Das könnte jedem passieren, der einen geliebten Menschen auf tragische Weise verloren hat … dazu braucht man keine Sirene zu sein.«
»Aber sie – ich meine die Stimme – wusste mehr als ich. Zum Beispiel, dass Caleb auf eine Tankstelle zuläuft, um sich dort zu verstecken. Dadurch konnte ich ihn überhaupt erst finden. Ich hätte doch keine Ahnung gehabt, wo ich suchen soll, wenn ich nur mit mir selbst gesprochen hätte.«
»Damit kommen wir zu dem zweiten Trick, den dein Körper angewandt hat«, sagte Charlotte. »Er hat ohne dein Wissen bereits nach anderen Sirenen in deiner Umgebung gelauscht, um an Informationen zu kommen, und sie dann mit Justines Stimme an dich weitergegeben, damit du zuhörst.«
Ich schüttelte den Kopf. Mir fiel es schwer, ihrer Erklärung zu folgen. »Du meinst also, als Justine gesagt hat, dass Caleb zur Tankstelle läuft … da habe ich in Wirklichkeit nur Informationen verarbeitet, die mein Körper von Zara aufgefangen hat?«
»Ganz genau. Vor seiner Flucht waren die beiden sich körperlich nahegekommen, nicht wahr? Deshalb waren sie auf gewisse Weise immer noch verbunden, und Zara konnte spüren, wo er sich befand. Dieses Wissen hat sich dein Körper angeeignet. Im Gegensatz zu der recht normalen Fähigkeit, scheinbar die Stimme eines geliebten Verstorbenen zu hören, handelte es sich dabei um echte Gedankenübertragung – und das können nur Sirenen. Selbst wenn sie noch nicht vollständig verwandelt sind wie du zu diesem Zeitpunkt.«
Ich schaute aus dem Fenster. Charlotte hatte recht, auch wenn ich ihre Erklärung eigentlich weder hören noch glauben wollte. Ich hatte nie verstanden, wie Justine zu mir sprechen konnte, aber mich trotzdem daran geklammert. Die Vorstellung, dass mich Justine nach ihrem Tod noch eine Weile begleitet hatte, war einfach zu schön gewesen.
»Ihre Stimme ist nach dem Lichterfest verschwunden, nicht wahr?«, fragte Charlotte sanft. »Nachdem du deine Angst besiegt hast, von den Chione Cliffs gesprungen bist und den Angriff der Sirenen aufgehalten hast?«
Ich hatte sie nicht wirklich aufgehalten, wie ich später feststellen musste, aber der Rest stimmte. Wann immer ich danach Justines Stimme gehört hatte, war mir klar gewesen, dass es sich nur um eine Erinnerung handelte.
»In der Nacht des Lichterfests hast du dich verwandelt. Dein Körper brauchte nicht mehr auf die Fähigkeiten anderer Sirenen zurückzugreifen, weil er sie nun selbst besaß«, erklärte Charlotte. »Und du musstest dir auch nicht länger Justines Mut und Abenteuerlust leihen. Du hattest begonnen, körperlich und geistig zu heilen, und deshalb brauchtest du sie nicht –«
»Doch«, widersprach ich heftig und reckte das Kinn. »Ich werde Justine immer brauchen.«
Charlotte warf mir ein trauriges Lächeln zu. »Du hast mich nicht ausreden lassen. Ich wollte sagen, dass du sie nicht länger auf dieselbe Weise brauchtest wie vorher.«
Am liebsten hätte ich erneut widersprochen, aber ich musste zugeben, dass sie recht hatte.
»Ich muss dir noch etwas anderes erklären«, fügte Charlotte nach einer kurzen Pause hinzu. Ihre Stimme klang sanft und ernst. »Aber ich weiß nicht recht, wie ich …«
Sie wurde von einem weiteren Hustenanfall unterbrochen, der ruckartig begann und immer schlimmer wurde. Ich sprang vom Bett auf und rannte ins Bad, um den Krug mit Salzwasser zu holen. Doch ihr Körper krümmte und schüttelte
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