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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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schützen«, sagte Michael. »Es war, als ob sie zu seiner Familie gehörte.«
    »Ich verstehe sie noch immer nicht ganz«, sagte Awigail plötzlich. »Verstehst du es? Verstehst du, warum sie Osnat das angetan hat?«
    Michael schwieg.
    »Warum gibst du mir keine Antwort?« beschwerte sich Awigail. »Verstehst du, warum?«
    »Ja, ich glaube schon«, sagte Michael.
    »Dann sag es doch«, verlangte Awigail. »Ich will es auch verstehen.«
    »Wir werden noch genug darüber reden«, sagte Michael. »Noch mehr als genug.«
    Sie erreichten das Zimmer. »Brauchst du Hilfe?« fragte Michael unbehaglich. Awigail kam ihm so selbstsicher vor. Als könne sie alles schaffen.
    Doch im Zimmer, das im letzten Tageslicht schon etwas dämmrig war, zeigte ihr Gesicht wieder den verletzlichen Ausdruck, der ihn dazu brachte, schneller zu atmen. Er legte ihr die Hand auf den Arm, und sie wich ihm nicht aus.
    »Awigail«, sagte Michael.
    »Was?«
    »Bist du bereit, etwas für mich zu tun?«
    »Was?«
    »Zeigst du mir deine Arme?«
    Awigail schaute ihn lange an. Dann knöpfte sie unsicher die Knöpfe an den Ärmeln auf. Sie rollte einen Ärmel bis über den Ellenbogen hoch und wandte das Gesicht zur Seite.
    »Das ist alles?« fragte Michael erleichtert. »Und ich habe schon gedacht, daß du ... Das heißt, ich habe gar nichts gedacht, ich habe es nur nicht verstanden.« Er lächelte. »Das geht vorbei, Awigail. Im Vergleich zu dem, was man sich hätte vorstellen können, ist das gar nichts.« Er nahm ihren Kopf in beide Hände.
    Das Telefon klingelte. Awigail schaute ihn fragend an, dann griff sie nach dem Hörer. »Für dich«, sagte sie gar nicht erstaunt und ging ins Schlafzimmer. Nur in den ersten Sekunden hörte Michael, wie sie den Schrank auf- und zumachte. Dann erschrak er so sehr, daß er sich hinsetzen mußte.
    »Es ist nichts«, sagte Sarit am anderen Ende der Leitung. »Überhaupt keine schwere Verletzung. Nur ein Stein.«
    »Woher weißt du das?« fragte Michael.
    »Seine Mutter hat angerufen. Sie hat gesagt, ich soll dir ausrichten, daß es nicht schlimm ist. Er hat eine Hand gebrochen, und ein Stein hat ihn neben dem Auge getroffen. Er ist im Hadassa-Hospital in Ein Kerem, und sie hat nur darum gebeten, daß ich es dir ausrichte.«
    Awigail stand in der Tür zum Schlafzimmer. Sie stellte ihren Koffer ab.
    »Ich habe einen Sohn«, sagte Michael mit zitternder Stimme.
    »Ja?« sagte Awigail und sah ihn an. »Ist etwas mit ihm? Du siehst aus, als wäre etwas passiert. Wo ist er?«
    »Im Hadassa«, sagte Michael und versuchte, das Zittern seiner Hände zu beherrschen.
    »Wer hat es dir gesagt?« fragte Awigail und nahm ihm den Hörer aus der Hand, blies prüfend hinein und legte ihn dann vorsichtig auf.
    »Seine Mutter. Ich war verheiratet und habe einen Sohn. Er ist fast mit seinem Armeedienst fertig, er wird bald entlassen.«
    Awigail atmete tief. »Ich fahre dich nach Ein Kerem, wenn du willst«, sagte sie schließlich. »Ich warte draußen.«
    Wieder klingelte das Telefon. Awigail schaute ihn an. Michael machte einen Satz und nahm den Hörer. »Ja«, hörte sie ihn sagen, dann noch zweimal »Ja«, und »Das paßt zu dem, was ich mir gedacht habe«, und am Ende: »Er soll seine Aussage unterschreiben, dann kann er gehen.«
    Awigail griff nach ihren Koffern. Es dauerte eine Weile, bis er seine Zigarette ausmachte und ihr die Koffer abnahm. »Was hast du da drin?« fragte er. »Steine?« Dann schob er die Tür mit der Schulter hinter ihnen zu.
    »Um was ging es bei dem Anruf?« fragte Awigail, als sie schon im Auto saßen.
    »Beni. Osnats Brief war wirklich in Aharon Meros' Banksafe.«
    »Ich kann nicht aufhören, an Jojo zu denken. Dieses Geheimnis, und niemand durfte davon erfahren. Wie er sich das Leben schwergemacht hat.« Nach einem langen Schweigen sagte sie noch: »Na ja, er ist nicht der einzige.«
    »Die Menschen«, sagte Michael, als sie sich bereits dem Krankenhaus näherten, »sperren sich selbst in ihren Phantasien ein. Sie erfinden Geheimnisse, aus denen sie dann keinen Ausweg finden.«
    Awigail schaute auf ihre Hände und sagte nichts. Aber als sie das Auto auf dem Parkplatz des Krankenhauses abstellte, lächelte sie ihn an und sagte leise: »Er wird in Ordnung kommen, dein Sohn, du wirst es sehen. Wie heißt er?«
    »Juwal«, sagte Michael. »Er heißt Juwal.«

Worterklärungen
     
     
    Al Hamischmar: Zeitung des linken Flügels der Arbeiterpartei.
     
    Alijat Noar (hebr.: Jugend-Einwanderung): ein Zweig der

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