081 - Die geraubte Mumie
Ein Sturm fegte die Küste entlang und trieb dunkle Wolken vor sich her. Finster war die Nacht und hoher Seegang.
Coco Zamis saß im Bug des kleinen Bootes. Hinter ihr lag Cro Magnon, der Steinzeitmensch, gefesselt und betäubt. Zwei Schmuggler aus Perpignan ruderten.
Jeff Parker, der im Heck Platz genommen hatte, stellte den Kragen seines wetterfesten Sweaters hoch und zog den Kopf ein.
„Verdammt ungemütliches Wetter", brummte er auf englisch. „Hoffentlich sind wir bald an Land." Nur selten waren Sterne zu sehen oder schimmerte die bleiche Sichel des Mondes durch die Wolken.
Coco ließ sich das lange, schwarze Haar vom Wind zerzausen. Sie mochte rauhes Wetter und Sturm.
Aber in dieser Nacht war ihr nicht ganz wohl. Ihr Hexeninstinkt war es, der sie warnte. Coco glaubte, daß sich etwas Unheimliches und Bedrohliches unter dem Schutzmantel der Nacht verbarg und auf sie und die anderen lauerte. Etwas Schreckliches, dem sie mit jedem Ruderschlag näher kamen. Sie überlegte, ob sie zur Jacht Sacheen zurückrudern sollten. Aber was hätte sie Jeff Parker gegenüber als Grund angeben sollen, außer ihrer Intuition, die sie - wenn auch in wenigen Fällen - schon getrogen hatte? Außerdem war die stürmische Nacht ihre beste Chance, den Steinzeitmenschen, den sie nach seiner Rasse Cro Magnon genannt hatten, unbemerkt an Land zu bringen. Die Zöllner von Perpignan waren wachsam.
Coco entschied, nichts gegen die Fortsetzung der Fahrt vorzubringen. Mit ihren Hexenfähigkeiten konnte sie schon einiges ausrichten, falls sie auf Feinde stießen, und Jeff Parker war ein starker entschlossener Mann.
„Sei auf der Hut, Jeff!" sagte sie. „Ich habe ein ungutes Gefühl."
„Wer hätte das nicht in dieser schaukelnden Nußschale?" fragte der Amerikaner. „Verflucht! Wenn wir nicht bald an Land kommen, werde ich mein Abendessen noch den Fischen geben müssen."
Die beiden Ruderer sagten kein Wort. Jeff und auch Coco glaubten, daß sie nur französisch sprachen. Ein Besatzungsmitglied der Sacheen hatte Verbindungen zu den Schmugglern von Perpignan gehabt und das Boot mit den beiden Männern bestellt. Perpignan war eine kleine Stadt in der Nähe der spanischen Grenze.
Es war kurz nach Mitternacht. Zur Linken sah man in einigen Kilometern Entfernung Lichter des Hafens von Port Vendres. Perpignan selbst lag nicht direkt an der Küste und hatte keinen Hafen.
Die dunkle Küstenlinie rückte näher. Sie war zackig und unregelmäßig. Es gab Klippen hier, kein Licht leuchtete ihnen.
Aber die beiden Schmuggler kannten den Weg. Sicher erreichten sie die Küste und legten in einer kleinen Bucht an. Hier wurde in mancher dunklen Nacht unverzolltes Gut gelöscht.
Der Kiel des Bootes knirschte auf den schmalen Strandstreifen.
Coco sprang als erste an Land, schaute sich um, schloß die Augen und lauschte in die Dunkelheit hinein. Sie besaß keinen sechsten Sinn, aber sie konnte dämonische Ausstrahlungen spüren und in manchen Fällen auch andere Gefahren ahnen oder wittern.
Ihr Unbehagen verstärkte sich. Sie spürte Stiche in der Magengegend. Das war das letzte entscheidende Zeichen.
Jeff Parker gab den beiden Schmugglern in leisem Ton Anweisungen. Zu dritt stellten die Männer den über zwei Meter großen und entsprechend schweren Cro Magnon auf die Füße.
Er mußte gestützt werden, denn er hatte ein starkes Beruhigungsmittel ins Essen bekommen. Ein normaler Mann hätte geschlafen wie ein Stein; nicht so Cro Magnon.
Er brummte unwillig und bösartig. Seine Hände waren mit zwei Paar Handschellen zusammengekettet; zudem trug er Ketten um den muskelstrotzenden Oberkörper und um die Beine. So konnte er nur kleine Schritte machen. Kettenrasselnd bewegte er sich benommen und unbeholfen.
Die Wellen schlugen klatschend an den Strand.
Die drei Männer halfen dem Steinzeitmenschen, sich ans Ufer zu begeben. Cro Magnon trug das Hemd des dicksten Mannes der Jachtbesatzung und eine schwarze Hose, die ihm nur bis zur Mitte der Waden reichte. Er war barfuß.
Coco hatte einmal auf der Jacht versucht, ihm Schuhe an die Füße zu ziehen, und das Resultat reichte ihr heute noch. Cro Magnon hatte die Handschellen, die er damals trug, einfach auf gesprengt und ein Stück aus der Stahlrohrreling gerissen. Er hatte es nach Coco geschleudert, und es verfehlte ihren Kopf nur knapp. An den Füßen noch gefesselt, konnte er sie nicht verfolgen, aber er ruhte nicht eher, als bis er die Lederschuhe mit den Händen zerfetzt hatte.
Trotz des
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