October Daye: Nachtmahr (German Edition)
Ruderboot«, sagte er schläfrig.
»Machen Ruderboote Nickerchen?«
»Schön wär’s«, murmelte Cassandra. »Sie haben schon den ganzen Abend versucht, mich in den Wahnsinn zu treiben.«
»Wirklich? Wie weit sind sie gekommen?«
Sie schnippte ihren Pferdeschwanz über die Schulter und rollte die Augen. »Erstaunlich weit.«
»Ich seh’s.« Ich kitzelte Andrew, bis er zu gähnen aufhörte und zu kichern begann, dann setzte ich ihn wieder auf die Füße. »Geh, sei ein Ruderboot.« Er lachte und rannte zu den Schaukeln, dicht gefolgt von Karen.
»Woher nehmen sie bloß all diese Energie?«, fragte ich, während ich aufstand. »Sie sind immer in Bewegung.«
Cassandra grinste. »Ich hab keine Ahnung. Wenn mir das klar wäre, könnte ich ein paar Semester Medizin überspringen.«
»Ich werd mal losziehen und die anderen wissen lassen, dass ich da bin. Brauchst du was?«
»Kann ich ein Betäubungsgewehr kriegen?«
»Nein.«
»Gut, dann sag Mama einfach, dass wir dringend den Kuchen anschneiden müssen, sonst bringe ich sie noch alle um.«
»Alles klar. Sie soll den Kindern Zucker geben, bevor du sie umbringst. Das wird sie ganz bestimmt beruhigen.« Ich winkte und wandte mich ab, um ins Haus zu gehen. Im Garten war die Party schon hektisch erschienen, in der Enge von Mitchs und Stacys vollgestopftem Wohnzimmer wurde es noch schlimmer. Schulbilder und Kreidekunst bedeckten die Wände, während Spielzeug, vierbeinige Haustiere und kleine Kinder einem unter die Füße kamen, wo man es am wenigsten erwartete. Die Möbel waren mit Klarsichtfolie abgedeckt, aber das würde den Schaden nur verzögern, nicht verhindern.
Als ich reinkam, stellte Stacy gerade Stühle um eine Reihe Klapptische auf. Anthony, ihr Neunjähriger, half dabei. Er sah mitgenommen aus. Die Party forderte sichtlich ihren Tribut von ihm, wie ebenso deutlich nicht von seiner glücklich strahlenden Mutter.
»Toby! Gut, dass du da bist«, sagte sie, kein Stück überrascht von meinem Auftauchen. »Hol den Kuchen.«
»Mach ich«, sagte ich und begab mich kopfschüttelnd in Richtung Küche. Wenn ich diese Masse Kinder jonglieren müsste, hätte ich nach Whisky und extrastarkem Klebeband verlangt, statt ihnen Sachen anzubieten, die sie noch hyperaktiver machen würden. Aber so war Stacy.
Als viertelblütiger Wechselbalg alterte Stacy schneller als die meisten von uns, aber das mit solcher Lebenslust, dass es kaum auffiel. Ihr kastanienbraunes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, um die Hüfte trug sie eine farbenbeschmierte Schürze. Alle Kinder kamen in einem gewissen Grade nach ihr – Jessica sah praktisch aus wie eine Miniaturversion ihrer Mutter – , und sie hätten es viel schlechter treffen können.
Mitch war in der Küche und packte den Kuchen aus. Ein dreistöckiges Biskuit-Monument, über und über mit Zuckerdinosauriern bedeckt: unbezweifelbar ein Werk unserer Freundin Kelly. Es erforderte eindeutig Herdmagie, derart realistische Zuckerreptilien so klein zu machen. »Hey«, sagte er. »Hilf mir mal damit.«
»Gern.« Ich begab mich in Position und nahm eine Seite des Kuchens. »Wie viele Kinder sind überhaupt hier?«
»Neunzehn.« Er lachte. »Du solltest dein Gesicht sehen! Das ist eine Party, Toby.«
»Die meisten Partys umfassen keinen ganzen Kindergarten.«
Mitch lachte nur und murmelte einen schnellen Zauber, um die Kerzen zu entzünden. Aus dem Wohnzimmer hörten wir Stacys Stimme, die den Kindern zurief, hereinzukommen und sich zu setzen. Dann trugen wir den Kuchen durch die Küchentür. Augenblicklich stimmte ein Dutzend Kehlen verschiedene, keineswegs tonsichere Versionen von »Happy Birthday« an. Der Zentaur sang auf Deutsch, während eine zierliche Schneefee mit Eis im Haar etwas trällerte, das wie ein japanischer Popsong klang. Willkommen zu einer typischen Geburtstagsfeier in Faerie.
Eingerahmt von einem Troll und einer Baumnymphe und über beide Bäckchen strahlend beugte Andy sich in seinem Stuhl vor, um mit erstaunlich starkem Atem die Kerzen auszupusten. Alles jubelte. Ich klatschte lachend Beifall.
Herzlichen Glückwunsch, mein Kleiner. Herzlichen Glückwunsch!
Kapitel 2
D ie Geburtstagsparty hatte mich doch mehr runtergezogen, als ich angenommen hatte. Zu viele Erinnerungen an Gillian und die wenigen Geburtstage, die wir miteinander hatten, bevor ich verschwand. Zu viele fröhliche kleine Geister, die mir auflauerten. Ich kam kurz nach Mitternacht nach Hause und kroch direkt ins Bett, wo ich wach lag
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