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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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würdevoller hellbrauner Kuverts auf der Arbeitsplatte zu ignorieren: Lauter Rechnungen von meinem Anwalt, der mal wieder seinen Vorschuss aufstocken wollte. Daneben lag ein Abholschein von der Reinigung, den Ariana mir tags zuvor hingelegt hatte. In der morgendlichen Aufregung hatte ich ganz vergessen, ihn mitzunehmen. Trotz allem versuchten wir immer noch, uns die Haushaltspflichten zu teilen, eine zivilisierte Fassade zu bewahren und den Treibminen auszuweichen, die unter der ruhigen Oberfläche lauerten. Sie brauchte den Hosenanzug am nächsten Tag unbedingt für ein wichtiges Kundengespräch. Vielleicht hatte die Reinigung ihn ja wundersamerweise mit der anderen Wäsche erledigt. Da fiel mein Blick auf den kleinen Stapel Post, der neben dem Abholschein lag. Der rote Umschlag unseres Video-on-Demand-Verleihs sah irgendwie anders aus. Das Blut stieg mir in den Kopf. Ich nahm den Umschlag und sah, dass er geöffnet und wieder zugeklebt worden war. Hastig riss ich ihn auf und schüttelte den Inhalt heraus: eine unbeschriftete DVD -Hülle.
    Und darin eine unbeschriftete DVD .
     
    Meine Hände zitterten, als ich die Disc in den Player schob. Ich bemühte mich, nicht überzureagieren, aber meine Haut war klamm und kalt. So ungern ich es zugeben mochte, ich gruselte mich wie als Kind, wenn wir uns am Lagerfeuer Gespenstergeschichten erzählt hatten. Es begann als schleichendes Unbehagen in den Knochen, das sich langsam nach außen arbeitete und mich auffraß.
    Ich ließ mich rückwärts aufs Sofa plumpsen und drückte auf Start. Wieder eine Aufnahme unserer Veranda. Seltsam, wie Angst sich in Ungeduld verwandeln kann – irgendwann hält man es nicht mehr aus und wünscht sich nur noch, dass das Beil endlich herabsaust. Dieselbe miese Bildqualität. Der schräge Aufnahmewinkel deutete darauf hin, dass die Bilder vom Dach des Nachbarhauses aufgenommen worden waren.
    Dons und Martiniques Dach.
    Ich hatte das Sofa am Morgen sorgfältig wie ein Bett gemacht, aber das Laken war durch mein unruhiges Hin- und Hergezappel schon wieder verrutscht. Während ich die Fäuste gegen die Knie drückte, wartete ich, was ich als Nächstes auf dem Bildschirm sehen würde.
    Natürlich wieder mich selbst. Beim Anblick meines eigenen Gesichts lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mich niemals daran gewöhnen würde, diese heimlichen Mitschnitte meines Alltagslebens auf DVD zu betrachten.
    Nun erschien ich wieder auf dem Bildschirm und blickte mich nervös um. Ich hatte dieselben Sachen an wie jetzt. Ich wirkte hager und nicht gerade in Topform, mein Gesichtsausdruck war verstört. Sah ich im Moment wirklich so aus? Das vergangene Jahr hatte seinen Tribut gefordert. Als ich mein Drehbuch gerade verkauft hatte und mein Foto in der
Variety
erschien, hatte ich so viel jünger und zuversichtlicher ausgesehen.
    Als ich von der Veranda trat, wackelte das Bild leicht, aber die Kamera blieb dran, und nach ein paar verschwommenen Sekunden wurde mein Bild wieder scharf.
    Dieses kleine Detail raubte mir den letzten Nerv. Bei der letzten DVD hatte die Kamera wenigstens noch auf einem Stativ gestanden, als hätte jemand seinen Camcorder montiert und wäre später zurückgekommen, um sich die Aufnahmen zu holen. Aber dieser neue Clip ließ gar keinen Zweifel daran, dass jemand hinter der Kamera stand und meine Bewegungen aktiv mitverfolgte.
    Ich beobachtete, wie ich ums Haus lief, mit gesenktem Kopf vorm Badezimmerfenster stehen blieb und auf den Boden starrte, meine Position veränderte und das nasse Gras genauer untersuchte. Der Kamin der Millers erschien im Bild. Ich sah mich um, und mein Blick glitt beunruhigend nah an der Position der Kamera vorbei. Fast wie bei Lars Thorwald in Hitchcocks
Fenster zum Hof.
Langsam wurde mein Gesicht herangezoomt, ich wirkte angespannt und wütend. Dann sagte ich irgendetwas zum Fenster, und die Läden wurden von innen durch Arianas unsichtbare Hand geschlossen. Ich stapfte zurück zur Veranda und verschwand im Haus.
    Der Bildschirm wurde schwarz, und ich merkte, dass ich aufgestanden war und einen Schritt auf den Fernseher zugemacht hatte. Schwer atmend ging ich zurück zur Couch und setzte mich wieder. Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und stellte fest, dass meine Stirn schweißnass war.
    Ariana lag oben im Bett, ich konnte den laufenden Fernseher durch den Dielenboden hören. Wenn ich nicht zu Hause war, ließ sie gerne irgendwelche Sitcoms laufen, um sich nicht

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