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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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und her wanderte und fieberhaft nachdachte. Als ich die beiden DVDs nebeneinanderhielt, stellte ich fest, dass sie identisch waren. Ich zwang mich, nicht zwei Stufen auf einmal zu nehmen, als ich in mein Arbeitszimmer zurücklief, sonst hätte ich Ariana aufgeweckt.
    Ich griff mir den Stapel Rohlinge von meinem Büroregal. Dieselbe Billigmarke.
Haargenau
dieselbe Billigmarke, bis hin zur Schreibgeschwindigkeit, der Kapazität in Gigabyte und der Marke, die auf das Polycarbonat aufgedruckt war. Seit ich im vergangenen Jahr angefangen hatte, mir DVDs zu brennen, hatte ich vielleicht ein Drittel der Rohlinge aufgebraucht.
Paquet de
30
stand auf dem Plastikbehälter. Ich zählte rasch durch und stellte fest, dass neunzehn davon noch übrig waren. Hatte ich schon elf verbraucht?
    Zurück ins Erdgeschoss – das Ganze artete langsam in Fitnesstraining aus. Beim Fernseher fand ich vier DVDs mit Folgen von
The Shield – Gesetz der Gewalt,
zwei mit
24
und eine mit
Desperate Housewives
(die gehörte Ariana). Eine DVD mit einem Mitschnitt von
American Idol
(die Staffel mit Jordin Sparks) zeigte deutliche Spuren eines Bierglases. Machte also insgesamt acht. Obwohl ich mir die aufgezeichneten Sendungen selten zweimal ansah, hatte ich noch keine selbstgebrannte DVD weggeworfen. Was bedeutete, dass drei fehlten.
Drei Stück.
    Dann sah ich noch einmal genau im Schrank unter dem Fernseher nach und verrenkte mir den Hals bei dem Versuch, dahinter zu gucken – hätte ja sein können, dass eine Disc hinter den Schrank gerutscht war. Nichts. Drei fehlten, und von denen hatte ich bis jetzt zwei bekommen.
    Als ich die Haustür aufmachte, kam nur ein kalter Windstoß herein. Keine magische Lieferung. Ich machte die Tür wieder zu, schloss sie ab und hängte die Kette ein. Ich warf einen Blick durch den Spion. Dann drehte ich mich um und lehnte mich mit dem Rücken an die Tür.
    War die dritte DVD schon unterwegs? War ich inzwischen noch von einer anderen Kamera als meiner eigenen gefilmt worden, die irgendwo anders stand als auf meinem Hausdach?
    Schließlich kam mir der naheliegendste Gedanke, und ich musste lachen. Kein amüsiertes Lachen, nicht im Geringsten. Eher die Art von Lachen, die man loslässt, wenn man gerade eine Betontreppe runtergesegelt ist und den anderen zu verstehen geben will, dass man einigermaßen heil geblieben ist.
    Ich ging in die Küche, setzte mich an den Esstisch und öffnete das Laufwerk des Camcorders.
    Die dritte DVD steckte noch darin.

[home]
    7
    N ach wenigen Sekunden konnte man die Rückseite unseres Hauses erkennen. Die Aufnahme war aus einer horrorfilmartig niedrigen Perspektive gemacht worden, und ein paar ins Bild ragende Zweige ließen die nächtliche Ansicht bedrohlich wirken. An einer Seite war die grüne, gewellte Plastikwand des Schuppens zu sehen, in dem Ariana ihre Blumen anpflanzte. Die Kamera bewegte sich vorwärts, durch das Sumachgestrüpp, und kroch dann auf die andere Seite des Hauses zu – ziemliche Psychokiller-Optik irgendwie. Hätte es eine Tonspur zu diesem Film gegeben, hätte man an dieser Stelle schrille Streicher und keuchenden Atem hören müssen. Aber ohne Ton war es fast noch schlimmer. Durch die Schatten konnte man ab und zu etwas erkennen – hier eine solarbetriebene Gartenlampe, dort ein Rasenstück im kegelförmigen Licht einer Verandalaterne. Während sich die Kamera aufs Haus zubewegte, blieb sie die ganze Zeit dicht über dem Boden. Sie näherte sich der Fensterbank, dann drehte sie sich nach oben, um die Decke des Wohnzimmers aufzunehmen, die vom leicht flackernden Licht des Fernsehers beleuchtet wurde.
    Mein Rücken war inzwischen schweißnass. Unwillkürlich glitt mein Blick zum Fenster. Durch die dünnen graugrünen Vorhänge starrte unbewegt das schwarze Glasviereck zurück. Bis zu diesem Moment hatte ich nie so richtig begriffen, was der Ausdruck »es dreht einem den Magen um« bedeutete. Aber ich spürte, wie meine Angst genau dort wütete, massiv und unnachgiebig. Mit jeder Sekunde, die ich nicht auf den Bildschirm blickte, stieg meine Panik. Surrealerweise hatte ich in diesem Moment das Gefühl, dass die tatsächliche Bedrohung gerade vom Fernseher ausging, während mir das Fenster – vor dem durchaus gerade jemand stehen konnte – eher wie eine fiktive Bedrohung vorkam.
    Der Bildschirm verlangte meine ganze Aufmerksamkeit. Die Kamera wurde jetzt kühner und schob sich langsam über die Höhe des Fensterrahmens. Sukzessive glitt ihr Auge über die

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