Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
Vom Netzwerk:
so allein zu fühlen. Sie war nicht gern allein zu Haus, wie ich schmerzhaft hatte erfahren müssen. Auf der Roscomare Road fuhren vereinzelt Autos vorbei, deren Scheinwerferlicht über die Wohnzimmerjalousien glitt.
    Da ich zu aufgewühlt war, um ruhig sitzen bleiben zu können, drehte ich rasch eine Runde im Erdgeschoss, schloss alle Läden, zog die Vorhänge vor und spähte dann nach draußen. War im Moment auch eine Kamera auf unser Haus gerichtet? Meine Gefühlslage war mir im Grunde selbst nicht ganz klar – da mischte sich Besorgnis mit Ärger, begleitet von einem gerüttelt Maß an Angst. Während von oben in regelmäßigen Abständen die Lacher vom Band ertönten, bewegte ich mich immer rascher und wurde fast hektisch. Erst der Unterhaltungsteil der Zeitung. Dann der Umschlag mit der DVD . Beides schien irgendwie auf Keith vom Studio hinzudeuten. Aber andererseits hatte unser Krach am Set die Boulevardpresse nur anderthalb Minuten beschäftigt, in Hollywoodscher Zeitrechnung war das sowieso schon wieder eine Ewigkeit her. Daher lag es durchaus nahe, dass jemand mich mit diesen Indizien absichtlich in die Irre zu führen versuchte.
    Im Schlafzimmer der Millers ging ein Licht an. Das Dach war dunkel. Mir fiel wieder ein, wie Don gerade aus dem Haus getreten war, als ich heimkam. Und das zweite Video
war
nun einmal von seinem Dach aus aufgenommen worden – und zwar an diesem Morgen, als es für einen Fremden äußerst schwierig gewesen wäre, ungesehen dort hinaufzuklettern. Eigentlich lag es auf der Hand, Don zu verdächtigen.
    Ich marschierte auf sein Haus zu, aber am Ende unserer Auffahrt hielt ich inne. Mir kam der Gedanke, dass ich vielleicht nur deswegen auf Dons Haus zulief, weil ich ihn eben kannte, weil ich wusste, mit wem ich es hier zu tun hatte. Natürlich war er ein Arschloch, aber andererseits – was für einen Grund hätte er, mich zu filmen?
    Ich stellte mich auf den Gehweg vor seinem Haus. Ob eine Kamera auf dem Dach stand, konnte ich immer noch nicht erkennen. Der nächste logische Schritt wäre jetzt natürlich gewesen, auf sein Dach zu klettern, um nachzusehen. Aber wahrscheinlich sollte ich es gerade deswegen lieber lassen.
    Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und ließ meinen Blick über die anderen Dächer, Fenster und Autos unseres Blocks schweifen. In meiner Fantasie starrte aus jedem Schatten eine Kameralinse zurück. Doch soweit ich feststellen konnte, warteten weder heimliche Verfolger noch versteckte Kameras darauf, mich beim Erklettern des Millerschen Daches zu beobachten. Andererseits konnte ich es auch nicht ganz deutlich erkennen.
    Ich brauchte einen besseren Aussichtspunkt, um mit Sicherheit festzustellen, ob die Kamera immer noch auf dem Dach stand. Von den Balkonen des Wohnblocks gegenüber ließ sich das Dach nur teilweise einsehen. Ebenso von den nächsten zwei Straßenlaternen beziehungsweise dem Telefonmast. Und das Dach des Supermarkts war einfach schon zu weit weg. Vielleicht konnte ich aus einer anderen Richtung besser aufs Dach sehen? Ich keuchte die Straße hoch und wieder runter und probierte verschiedene Perspektiven aus. Doch das Dach war zu flach, als dass ich den Punkt genau hätte sehen können, von dem aus ich gefilmt worden war. Irgendwann wurde mir klar, dass ich von unserem eigenen Dach aus den besten Blick haben würde.
    Mit neuer Entschlossenheit trabte ich zurück zu unserem Haus. Als ich mich auf die Garage hochhangelte, fuhr mir der starke Wind unter das T-Shirt und in die Hosenbeine meiner Jeans. Eine Ulme verdeckte das gelbliche Licht der nächsten Straßenlaterne. Ich versuchte, mit meinen Turnschuhen so leise wie möglich auf den Dachschindeln aufzutreten. Oberhalb unseres Küchenfensters schwang ich ein Bein nach oben auf die Dachrinne des Obergeschosses.
    »Hey!«
Ariana stand unten in der Auffahrt. Sie trug eine Jogginghose und ein langärmliges T-Shirt und hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen. »Was machst du da? Musst du schon wieder nach dem kaputten Zaun gucken?« Sie klang eher gereizt als sarkastisch.
    Ich hielt in der Bewegung inne, das eine Bein in der Dachrinne. »Nein. Die Wetterfahne ist lose, die klappert die ganze Zeit.«
    »Hab ich noch gar nicht gemerkt.«
    Wir schrien fast. Bei dem Gedanken, dass die versteckte Kamera Ariana aufnehmen könnte – ganz zu schweigen von unserem Wortwechsel –, wurde mir immer unwohler. Meine Schultern versteiften sich, wie bei einem Wolf, dem sich angesichts einer Bedrohung

Weitere Kostenlose Bücher