Oder sie stirbt
du, wenn du einem Specht den Schnabel entfernst, dann kloppt der sich tot. Er weiß ja nicht, dass er keinen Schnabel mehr hat. Und deswegen rammt er sein kleines Spechtgesicht gegen den Baum, was das Zeug hält. Also …«
»Stimmt das wirklich?«
Er legte eine kleine Pause ein. »Ist das denn wichtig? Das ist eine Metapher – schon mal von gehört?« Stirnrunzelnd nahm er noch einen Schluck, um Zeit zu gewinnen und wieder Tritt zu fassen. »Du bist jedenfalls wie dieser Specht.«
»Tolles Bild«, stimmte ich ihm zu.
Er nahm einen ordentlichen Schluck und wischte sich übers stoppelige Kinn. »Warum bist du mit dieser Geschichte zu mir gekommen?«
»Ich möchte mit Keith Conner reden. Nach diesem ganzen Fiasko ist er irgendwie mein Topfavorit. Aber er steht nicht im Telefonbuch. Logischerweise.«
»Versuch’s doch mal bei Star Maps.«
»Da steht immer noch seine alte Adresse außerhalb der Stadt«, erwiderte ich. »Er wohnt jetzt in einer dieser Straßen mit Vogelnamen rund um die Sunset Plaza.«
Er blätterte halbherzig in seinem Skript, und es sah aus, als wäre er weggetreten.
»Was meinst du?«, bohrte ich nach. »Glaubst du, du könntest die Adresse für mich rausfinden? Und ihn ein bisschen abklopfen?«
»Polizeiarbeit?« Er hob das Drehbuch hoch und ließ es wieder auf seinen Schoß plumpsen. »Meinst du, wenn ich mich wirklich auf meinen Job verstehen würde, würde ich
das
hier machen?«
»Ach komm. Du weißt immer, wie du’s anfangen und mit wem du reden musst. Diese ganze LAPD -Bruderschaft.«
»Der Dienstweg führt nie irgendwohin, mein Lieber. So was macht man inoffiziell. Hier einen Gefallen einfordern, dort einen erwidern. Vor allem, wenn man einen Film dreht. Dann braucht man die Drehgenehmigung für die Straße, irgendein Trottel muss unbedingt einen SWAT -Hubschrauber mieten, so was eben.« Er grinste. »Das ist was anderes als einen Serienvergewaltiger zu fangen.«
Ich konnte seinem Ton entnehmen, worauf er hinauswollte, also sagte ich: »Und?«
»Ein alter Hund wie ich kann nicht mehr viele Gefälligkeiten einfordern. Und diese wenigen brauch ich, um meine Miete zu bezahlen.«
Ich stand auf, leerte mein Bier und warf die Dose zu den anderen. »Okay. Danke trotzdem, Punch.«
Als ich die Autotür zumachte, stand er plötzlich an meinem Seitenfenster. »Seit wann gibst du so schnell auf?« Er bedeutete mir mit einem Nicken, mit ihm zum Haus zurückzukehren.
Ich stieg also wieder aus und folgte ihm durch den Vorgarten in die Küche. Dort stapelten sich die schmutzigen Teller, der Wasserhahn tropfte, und der Abfalleimer quoll über von zusammengefalteten Pizzakartons. Am Kühlschrank hing eine Kinderzeichnung, befestigt mit einem Magneten von einem Strip-Lokal. Die Buntstiftzeichnung, die an Verzweiflung grenzenden Enthusiasmus verriet, zeigte eine Familie mit drei Mitgliedern, Strichmännchen mit großen Köpfen und überdimensioniertem Grinsen. Die handelsübliche Sonne oben in der Ecke schien der einzige Farbklecks in diesem düsteren Raum. Ich konnte es Punch nicht verdenken, dass er sich lieber in seinem Vorgarten aufhielt.
Ich sah mich nach einer Sitzgelegenheit um, aber auf dem einzigen Stuhl stapelten sich alte Zeitungen. Punch kramte eine Weile herum, bis er einen Stift gefunden hatte. Dann riss er schwungvoll die Zeichnung vom Kühlschrank, so dass der Magnet herunterfiel und unter den Tisch rollte. »In den Vogelstraßen, hast du gesagt, oder?«
»Blue Jay oder Oriole Street.«
»So ein Wichser wie Conner lässt sein neues Haus wahrscheinlich über eine Treuhandgesellschaft laufen, damit man ihn nicht so leicht finden kann. Aber irgendjemand verbockt es immer. Irgendein Pay- TV -Sender oder eine Kfz-Registrierung oder was auch immer läuft dann doch auf seinen echten Namen. Warte mal draußen auf mich.«
Ich ging hinaus, setzte mich auf seinen Gartenstuhl und überlegte, worüber er wohl so nachdachte, wenn er diesen Anblick vor Augen hatte. Schließlich kam er aus dem Haus.
Umständlich drückte er mir die Zeichnung in die Hand, auf deren Rückseite er eine Adresse gekritzelt hatte. Er kicherte. »Da hat sich dein Jungchen ja eine schöne Ecke ausgesucht.« Mit einem Winken gab er mir zu verstehen, dass ich seinen Stuhl wieder räumen sollte. »Ich werd ein bisschen rumfragen wegen Conner, mal sehen, ob ich was rausfinde.«
Irgendwie machte es mich jetzt nervös, seine Adresse wirklich zu haben. Keith Conner war ein Filmstar, was einen nur zu leicht zu der
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