Oder sie stirbt
stieß er sich von der Bar ab und marschierte hinaus.
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12
I st Keith Conner in echt auch so scharf?« Erste Reihe, blond, Uni-Sweatshirt. Shanna oder Shawna oder so ähnlich.
»Er sieht schon ziemlich gut aus«, antwortete ich, während ich vor der Klasse auf und ab lief und auf meinem Kaugummi herumkaute, um die Fahne meines morgendlichen Beruhigungswhiskeys zu übertünchen. Vereinzeltes Gekicher von den aufsteigend angeordneten Sitzreihen im Vorlesungssaal.
Einführung ins Drehbuchschreiben
– man konnte die Stadtgrenze fast nicht passieren, ohne sich in diesen Kurs einzuschreiben. »So – gibt es auch noch Fragen, die mit Drehbüchern zu tun haben?«
Ich sah mich um. Mehrere Studenten hatten Digitalkameras auf ihren Schreibunterlagen oder ihren Rucksäcken liegen. Noch mehr Studenten tippten ihre Notizen gleich in einen Laptop mit eingebauter Kamera. Ein Typ in der Mitte machte mit seinem Handy gerade einen Schnappschuss von seinem Banknachbarn. Ich riss meine Aufmerksamkeit von den zahllosen Kameras los und sah, dass sich jemand meldete. »Ja, Diondre?«
Seine Frage hatte irgendetwas mit dem Anteil von Talent beziehungsweise harter Arbeit zu tun.
Ich war den ganzen Tag schon völlig fahrig gewesen und hatte mich mehrmals dabei ertappt, wie ich versuchte, in die Bemerkungen meiner Studenten versteckte Botschaften hineinzuinterpretieren. In der Pause ging ich die letzten Seminararbeiten durch und zählte, wie viele Studenten durchgefallen waren. Nur sieben. Und keiner von ihnen schien die Note persönlich genommen zu haben. Außerdem hatte jeder Student, der bei mir nicht so gut abschnitt, noch bequem Zeit, den Kurs abzuwählen, was es noch unwahrscheinlicher machte, dass mein Stalker ein wütender Student war.
In diesem Moment fiel mir auf, dass ich nicht richtig zugehört hatte, was Diondre eigentlich sagte. »Wissen Sie, nachdem unsere anderthalb Stunden vorbei sind, können die anderen Studenten gerne schon gehen …« Ich machte eine vage Handbewegung, um anzudeuten, dass die Stunde offiziell beendet war. »… wenn Sie wollen, Diondre, dann bleiben Sie noch einen Moment, dann können wir Ihre Frage diskutieren.« Man hätte meinen können, es hätte Fliegeralarm gegeben, so hastig räumten die anderen den Saal.
Diondre blieb zurück und war sichtlich gekränkt. Er war einer meiner Lieblingsstudenten, ein gesprächiger Junge aus Ost-Los Angeles, der normalerweise weite Bermudas von Clippers trug und ein Bandana um den Kopf gebunden hatte, von dem sogar ich wusste, dass es hoffnungslos out war. Aber mit seinem schiefen Grinsen wirkte er auf Anhieb vertrauenswürdig und sympathisch.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
Schwaches Nicken. »Meine Ma hat gemeint, ich würde das nie schaffen, ich wäre einfach kein Filmemacher. Sie hat gesagt, genauso gut könnte ich versuchen, chinesischer Akrobat zu werden. Glauben Sie das auch?«
»Keine Ahnung«, meinte ich, »chinesische Akrobatik unterrichte ich nicht.«
»Ich mein es ernst, Mann, Sie wissen doch, wo ich herkomme. Ich bin der Erste in meiner Familie, der überhaupt die High School beendet hat, ganz zu schweigen vom Collegebesuch. Meine ganzen Verwandten ziehen mich damit auf, dass ich Filmwissenschaft studiere. Wenn ich damit wirklich meine Zeit verschwende, dann sollte ich lieber gleich aufhören.«
Was sollte ich ihm sagen? Dass Träume nicht ausreichten, egal was einem die Glückskekse und inspirierenden Poster vorgaukeln wollten? Dass man es sich noch so sehr vornehmen und sein Bestes geben konnte, was dann aber im wirklichen Leben oft doch nicht genug war?
»Weißt du, das Ganze hat eine Menge mit harter Arbeit und Glück zu tun«, begann ich. »Du bleibst dran und immer weiter dran und hoffst, dass du es irgendwann schaffst.«
»Haben Sie es auch so geschafft?«
»Ich hab es nicht geschafft. Deswegen stehe ich ja hier.«
»Was meinen Sie damit? Schreiben Sie keine Filmdrehbücher mehr?« Diese Auskunft schien ihn völlig zu schockieren.
»Vorläufig nicht. Und das ist auch okay. Wenn ich dir wirklich einen Rat geben soll – und am besten hörst du sowieso nicht auf mich –, dann würde ich sagen: Du musst dir einfach ganz sicher sein, dass du es wirklich willst. Denn wenn du hier aus den falschen Gründen studierst, dann erreichst du vielleicht sogar dein Ziel, aber irgendwann stellst du fest, dass das alles gar nicht so toll ist, wie du dachtest.«
Er sah ziemlich nachdenklich drein. Schließlich schob er die Lippen
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