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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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können, denn die Worte, die darin standen, schienen direkt in meinen Kopf zu blicken:
    DANN WERDEN SIE ES NIE ERFAHREN.

[home]
    32
    M itternacht.
    Ich würde nicht zu diesem Hotelzimmer fahren.
    Neben mir schlief Ariana. Ich lag da und starrte auf die Uhr. Sie hatte eine Schlaftablette genommen, aber ich war ziemlich sicher, dass mir in dieser Nacht keine Tablette der Welt zu Schlaf verhelfen konnte. Was auch immer es war, ich hatte es schon am Schwanz gepackt – oder es hatte mich schon am Genick. Würden sie sich erneut an meine Fersen heften, wenn ich an diesem Abend nicht auftauchte? Und wenn nicht: Würde ich es aushalten, niemals zu erfahren, was hinter dieser ganzen Sache steckte? Konnte ich zu meinen Seminararbeiten und Lehrerzimmerwitzen und abendlichen Spaziergängen in der Nachbarschaft zurückkehren? Ich würde es wohl müssen. Wie Ari schon gesagt hatte, ich pfuschte in anderer Leute Leben herum. Und wenn ich all diese Anweisungen immer weiter befolgte, wo würde das hinführen? Indem ich gar nicht erst auftauchte, nahm ich mein Schicksal selbst in die Hand. Und wenn sie wütend reagierten, war ich bereit. Wenn der Prozess gegen das Studio doch weitergehen würde, stünde ich genauso gut oder schlecht da wie noch zwei Tage zuvor. In der stillen Dunkelheit begann ich eine Liste von Vorsichtsmaßnahmen durchzugehen, die ich bei Tagesanbruch zu ergreifen gedachte.
    0.27  Uhr. 0.28  Uhr.
    Ich würde nicht zu diesem Hotelzimmer fahren.
    HEUTE NACHT WERDEN SIE ALLES VERSTEHEN . Wer wartete in Raum 1407 ? Ein Gesicht aus meiner Vergangenheit, ein gekränkter Freund, ein Mann im dunklen Anzug, mit übereinandergeschlagenen Beinen und einem Revolver auf dem Schoß? Oder ein Fremder mit einem Geschenk, in der Rolle, die ich für Doug Beeman gespielt hatte? Wie lange würde diese Person warten, bevor ihr klarwurde, dass ich nicht durch diese Tür kommen würde?
    0.48  Uhr. 0.49  Uhr.
    Ich würde nicht zu diesem Hotelzimmer fahren.
    Ich dachte an Doug Beeman, wie er sich vor den Fernseher gekniet und auf den Bildschirm gestiert hatte, wie er sich auf die Fersen gesetzt hatte und hin- und herschaukelte, und wie ich gar nicht gemerkt hatte, dass er weinte, bis ich seine erstickten Schluchzer hörte. Das Foto der kleinen Schülerin auf Elisabetas Tisch, das zahnlose Grinsen. Die Unmengen von Bananenschalen. Die Verzweiflung, die wie ein stickiger Geruch in dem engen Wohnzimmer hing. Das Geld in der Tasche, von dem ich hoffte, dass es die Verzweiflung lindern würde, so wie die DVD bei Beeman, dass sie einen kleinen Lichtpunkt am Ende des Tunnels erkaufen konnte.
    1.06  Uhr. 1.07  Uhr.
    Ich würde nicht zu diesem Hotelzimmer fahren.
    Textfetzen schwebten durch die Dunkelheit. ES GEHT UM LEBEN UND TOD . DIESMAL IST ES JEMAND , DEN SIE KENNEN . Was würde ich tun? Hundeelend hier herumliegen, bis ich vom klingelnden Telefon geweckt wurde? Oder würde ich die Todesnachricht später erhalten? Einen Tag, eine Woche, drei Monate später? Konnte ich so leben und abwarten, in dem Wissen, dass ich die Ereignisse hätte verhindern können?
    1.17  Uhr. 1.18  Uhr.
    Der einzige gewinnbringende Zug ist, nicht zu spielen.
    Ich würde nicht zu diesem Hotelzimmer fahren.
    1.23  Uhr.
    Ich küsste die schlafende Ari auf den warmen Hals und betrachtete ihr Gesicht. Von ihren üppigen Lippen, die ganz leicht geöffnet waren, kam ein kaum hörbares Pfeifen.
    »Tut mir leid«, flüsterte ich.
    Schlüpfte hundeelend, von Angst gebeutelt und voller Schuldgefühle aus dem Bett.
    Es war nicht so, dass ich gehen musste.
    Es war nur leider so, dass ich unmöglich
nicht
gehen konnte.
     
    Nachdem ich am Sepulveda Boulevard so geparkt hatte, dass mich die Parkwächter nicht sehen konnten, die Plastikkarte aus dem Handschuhfach geholt und in meine Hosentasche geschoben hatte, nachdem ich mein Sanyo
und
mein Prepaidhandy eingesteckt hatte, um für alle Aufnahmen und Anrufe gerüstet zu sein, nachdem ich eine Verkehrslücke abgepasst und mich in Jeans und schwarzem T-Shirt über den Parkplatz geschlichen hatte, stand ich nun vor dem Hotel Angeleno beziehungsweise vor dem Personaleingang, der auf dem Foto zu sehen gewesen war.
    In meiner Tasche steckte der Zettel, den ich bei der mickrigen Innenbeleuchtung meines Autos noch schnell gekritzelt hatte:
Ich habe eine anonyme Nachricht erhalten, die mich zu Zimmer
1407
dieses Hotels bestellt und mir gedroht hat, dass es dabei um Leben und Tod geht. Ich weiß nicht, wer in diesem Zimmer sein wird.

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