Odins Insel
an Bord des Tragflächenbootes nach Urö waren.
Ali stand auf und ging auf die Toilette hinaus, wo er seinen Gebetsteppich ausbreitete, sich auf die Knie warf und verbeugte, bis seine Stirn den Teppich berührte. Er verbeugte sich mehrere Male, während er im Flüsterton zu Allah, dem einzigen Einen, betete. Als Alis Gebet beendet war, ging er zurück in die Kabine, nickte leicht, und drei der moslemischen Milizmitglieder folgten ihm durch eine Tür, auf der Zugang verboten stand, eine enge Treppe hinauf. Am Ende der Treppe warteten sie genau eine Minute, dann rissen sie die Tür zur Brücke auf. Eine Pistole wurde auf die Schläfe des Kapitäns gerichtet, eine weitere auf die des Steuermanns. In der Kabine unten waren die verbliebenen moslemischen Milizmitglieder aufgesprungen und richteten jetzt ihre Pistolen nach rechts und links auf die wenigen nicht moslemischen Weihnachtspassagiere.
Mit einer Heftigkeit, die Kaffeetassen und Mineralwasser umfallen ließ, sodass sich ihr Inhalt über Sitze und Passagiere ergoss,
drehte das Tragflächenboot scharf nach rechts und hielt nicht länger Kurs auf Urö, sondern direkt auf die Klippenreihe südlich von Urö zu. Während ein Milizmitglied seine Pistole auf die Schläfe des entsetzten Kapitäns richtete, rief Ali Allah an, den einzigen Einen, und bat ihn, die Pforten in den Klippen zu öffnen, auf dass sie durch sie hindurch zu der heiligen Insel des Propheten segeln konnten.
Aber Allah konnte oder wollte Alis Gebet nicht hören. Ein Knall ertönte, und mit brutaler Plötzlichkeit wurde dem Vorwärtsstreben des Tragflächenbootes Einhalt geboten. Geiseln wie Geiselnehmer wurden in alle Richtungen geworfen, und eiskaltes Meerwasser strömte in den Rumpf des Bootes.
Ob die verwirrten Passagiere mehr Kraft und Inbrunst in ihre Gebete legten oder ob Allah, oder vielleicht auch dem Herrgott, die Gebete, die jetzt ausgestoßen wurden, besser gefielen, konnte man nicht sagen. Vielleicht hing es ja auch mit einem anonymen Anruf der wütenden Schwester bei der Polizei zusammen, die schließlich den zerrissenen Fahrplan der Tragflächenboote nach Urö mit dem fatalen Strich unter der Elf-Uhr-Abfahrt gefunden hatte. Aber eins war sicher, es dauerte nur wenige Minuten, bis die Küstenwache sie erreichte.
»Die Zeit ist gekommen!«, rief Simon Peter II., riss sich die Kleider herunter und trat von dem Podium an den Rand des Wassers. »Kommt alle her. Der Augenblick ist gekommen.« Der Lieblingsjünger winkte den Wiederauferstandenen Christen zu, und bald rieb sich eine fromme Gänsehaut an der anderen, während alle drängten und schubsten, um ganz vorne zu sein beim Marsch auf die Insel des Paradieses.
Simon Peter II. blieb stehen, als zum ersten Mal eine eiskalte Welle über seine Füße spülte. Mit feierlicher Miene hob er langsam den rechten Arm. Er streckte die Hand zum Himmel aus, schlug das Zeichen des Kreuzes vor der Brust und breitete den Arm über das leicht zugefrorene, schaukelnde Wasser aus. Einen Moment war alles still. Die Wiederauferstandenen Christen standen still, die Wellen standen still, der Wind stand still, die Wolken standen still. Die Erde schien sich nicht länger um die Sonne
zu drehen. Nur ein schwaches Klappern von frierenden frommen Zähnen war zu hören. Der Lieblingsjünger starrte zum Horizont, zur Insel des Paradieses, und bat den Herrn und seinen Sohn, den Großen Mann, das eisige Wasser zu teilen.
Nichts passierte. Sekunden vergingen, und die Erde nahm ihren Lauf um die Sonne wieder auf, die Wellen rollten wieder auf den schneebedeckten Strand, und die Wolken zogen weiter über den grauen Himmel. Simon Peter II. faltete die Hände und betete zu seinem Gott. Dann machte er einen großen Schritt direkt durch die eisige Kruste der Wasseroberfläche ins kalte Wasser. Dann noch einen und noch einen. Der Lieblingsjünger biss die Zähne zusammen, damit die Umstehenden ihr Klappern nicht hörten, und breitete wieder den Arm über dem widerspenstigen Meer aus. Zuerst hielt er ihn hoch erhoben, dann ein wenig gesenkter, dann waagerecht, dann wieder höher, als suche er nach dem besonders göttlichen Winkel, der das Wasser dazu bringen würde, ihm zu gehorchen. Aber die Meerenge war starrsinnig. Fest entschlossen, sich dem Ruf des Herrn würdig zu erweisen, bewegte Simon Peter II. seine Füße noch ein paar mutige Schritte weiter vor, und das Wasser reichte ihm nun bis zur Mitte der Oberschenkel. Aber es half nicht. Mit einem Schimmer göttlicher
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