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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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verändert, seit sie gekommen war. Sigbrit Holland fröstelte.
    »Alles okay. Sprechen Sie, holde Frau«, sagte der Fischer Ambrosius und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Der Fremdling weiß, was man von dieser Welt wissen muss. Er hat den ersten Krieg überlebt, und er hat den zweiten überlebt. Dann hat er beschlossen, nie mehr einen Fuß in sein Vaterland zu setzen, und seitdem lebt er in unserem. Er hat gesehen, wovon Sie und wir nicht einmal in unseren Albträumen träumen, und er hat bereits alles gehört, was es zu hören gibt. Seine Augen sind gefüllt, seine Ohren nicht länger offen, und die Worte, die er zu sagen hatte, hat er vor Lichtjahren gesagt.«
    Sigbrit Holland wusste nicht, ob sie dem Fremdling in Anerkennung seiner Leiden zulächeln sollte oder ob er das als Hohn auffassen würde. Sie sah die feindlichen, glasigen Augen und wandte sich schnell ab.
    »Es geht um Odin«, begann sie und versuchte den eingefallenen Mann zu vergessen.
    »Wir haben die Zeitungen gesehen.«
    »Sie lassen mich nicht zu ihm. Ich darf nicht einmal mit ihm telefonieren, und was nützt es noch, den Justizminister anzurufen, das ganze Land spricht von nichts anderem als von Odin. Trotzdem passiert nichts, und die Regierung beharrt weiter darauf, dass von einer Identitätsverwechslung die Rede ist, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Die Frage der Insel ist nicht einmal zur Sprache gekommen!« Überrascht von der Heftigkeit ihres Ausbruchs hielt Sigbrit Holland abrupt inne.

    »Ja, es ist schlimmer, als wir geglaubt haben«, sagte der Fischer trocken.
    »Was ist schlimmer?«
    »Zuerst haben wir geglaubt, dass sie nicht von der Insel gesprochen haben, weil sie es nicht wollen. Jetzt wissen wir, dass sie nicht davon sprechen, weil sie sie nicht kennen.«
    »Wie können Sie da so sicher sein?« Sigbrit Holland hob die Augenbrauen, und ihre Finger trommelten leicht gegen die Tischkante.
    »Sonst hätten sie sich größere Mühe gemacht, dem Gerede darüber Einhalt zu gebieten.«
    Daran hatte Sigbrit Holland nicht gedacht.
    »Was soll ich jetzt tun?«
    »Holde Frau, Sie machen genau das, was Sie bisher getan haben, einen Schritt nach dem anderen. Der Ball liegt nicht in Ihren Händen. Er rollt, aber Sie haben ihn nicht in der Hand. Sie brauchen nur abzuwarten und zu sehen, wo er hinrollt. Wenn Sie erst wissen, wo er hingerollt ist, sind Sie wieder an der Reihe.«
    Sigbrit Holland nickte und trank von dem Kaffee, der in der Zwischenzeit kalt geworden war.
    »Kann ich wirklich nichts tun? Ich kann doch nicht einfach mit den Händen im Schoß dasitzen, während nichts passiert.«
    Der Fischer Ambrosius stopfte seine Pfeife und zündete sie an, bevor er antwortete, »Wenn Sie unbedingt etwas tun wollen«, sagte er langsam, »dann eines: Gehen Sie in die Bibliothek und sehen Sie sich die alten Karten von der Meerenge an, schauen Sie, ob Sie einen Hinweis auf die Insel finden. Wenn wir uns nicht sehr irren, muss der eine oder andere an der einen oder anderen Stelle ihr Vorhandensein aufgezeichnet haben. Die Insel könnte sehr wohl kurze Zeit auf den alten Land- und Seekarten auftauchen und dann wieder verschwinden.« Er sah Sigbrit Holland grübelnd in die Augen. »Das ist keine einfache Aufgabe, viele Jahrhunderte sind zu durchforsten. Es ist wie die Suche nach einer Nadel in einem Heuhaufen. Aber es ist das Einzige, das Sie tun können, holde Frau.«
    »Haben Sie nicht gesagt, dass ich die Insel nicht erwähnen darf?« Sigbrit Holland zog leicht nervös an ihrem Haar.

    »Nein, jetzt bringen Sie wieder etwas durcheinander. Wir haben gesagt, dass Sie nicht erwähnen dürfen, dass Sie von uns davon gehört haben. Und wir haben gesagt, dass den alten Sprüchen zufolge die Hölle losbricht, wenn Sie davon sprechen. Aber wir haben so ein Gefühl, dass die Hölle bereits losgebrochen ist, sodass da kein großes Risiko besteht. Außerdem müssen Sie die Insel nicht erwähnen, um nach ihr zu suchen.«
    Sigbrit Holland lächelte. Warum nicht! In diesem Augenblick erhob sich der Fremdling lautlos, verließ das Steuerhaus und schloss leise die Tür hinter sich. Sigbrit Holland fröstelte, ein nasskaltes Gespenst schien durch den Raum gegangen zu sein. Sie nickte in Richtung der verschlossenen Tür.
    »Er ist sehr still, Ihr Freund.«
    »Ja, eine gute Gesellschaft«, brummte der Fischer und kaute auf dem Mundstück seiner Pfeife.
    Sigbrit Holland senkte den Blick.
    »Man muss sprechen, wenn man etwas zu sagen hat.« Der Fischer Ambrosius

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