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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Wiederauferstandenen Christen, den Wiedergeborenen Juden, den Lämmern des Herrn und den noch immer führerlosen wütenden jungen Moslems war eine neue Gruppe, die sich Marias Jungfrauen nannte, hinzugekommen. Marias Jungfrauen, die sich aus gleichen Teilen unverheirateter Frauen, die über das beste Alter hinaus waren, und junger tatendurstiger Emanzen zusammensetzten, waren überzeugt, dass alles Gute und damit auch Gottes Sohn, von den Frauen kam, während alles Böse von den Männern abstammte und dass bald der Jüngste Tag anbrechen würde, um die Welt von der Streitlust und der Brutalität der Männer zu befreien.
    Innerhalb der Mauern des Krankenhauses hatte Odin sich langsam an die Aufzüge auf dem Parkplatz gewöhnt, während sie seinen Freund mit dem riesigen Kopf mehr und mehr beunruhigten. Gunnar der Kopf verstand nicht ganz, was da vor sich
ging. Aber er hatte keine Zweifel, dass früher oder später etwas Unschönes passieren würde. Und er hatte auch keine Zweifel, dass er und sein Kamerad am besten weit fort sein sollten, wenn es passierte.
    Deshalb stand Gunnar der Kopf am Sonntagmorgen früh auf. Er weckte Odin. Es war an der Zeit, dass sie sich aus dem Staub machten. Odin glitt still aus dem Bett, zog sich an und schlich hinter Gunnar dem Kopf aus dem Zimmer, den Korridor hinunter ins Büro, wo der Krankenpfleger auf einem Stuhl saß und schlief, während sein Kopf auf dem Tisch ruhte. Gunnar der Kopf hatte ihre Flucht genau geplant und wusste, dass der Krankenpfleger gegen Morgen, genauer gesagt gegen halb fünf jeden Morgen, immer einen Moment einnickte. Odin war nicht sicher, ob es nicht höflicher wäre, den Krankenpfleger zu wecken und ihn zu bitten, ihnen die Tür zu öffnen, statt, ohne sich zu verabschieden, einfach seine Schlüssel zu nehmen und zu verschwinden. Aber Gunnar der Kopf überzeugte ihn flüsternd, dass der Krankenpfleger ausdrücklich darum gebeten hatte, nicht geweckt zu werden, da er nie genug Schlaf bekam, der arme Mann. Mit überraschender Fingerfertigkeit entwendete Gunnar der Kopf einen Satz Schlüssel aus der Tasche des Krankenpflegers. Dann schlichen er und Odin durch den Korridor zurück, schlossen die erste Tür auf, dann die zweite, worauf Gunnar der Kopf eine nach der anderen wieder sorgfältig hinter sich verschloss. Mit einem Lächeln steckte der Mann mit dem riesigen Kopf die Schlüssel in die Tasche und klopfte zufrieden darauf: so weit, so gut!
    Das Krankenhaus war still und menschenleer, und die beiden Männer konnten die Treppe hinuntergehen, ohne jemandem zu begegnen. Am Fuß der Treppe streckte Gunnar der Kopf die Hand aus und hielt Odin an. Zwei Sicherheitsbeamte waren vor dem Krankenhauseingang postiert. Jeder saß auf einer Seite der Tür, und sie plauderten schläfrig miteinander. Gunnar der Kopf kratzte sich am Ellbogen und dachte nach, so schnell er konnte. Doch bevor ihm etwas eingefallen war, war Odin zu einem der Wachmänner gegangen.
    »Entschuldigen Sie, dass ich mich in Ihr Gespräch einmische«,
sagte er mit einer höflichen Verbeugung. »Aber ich habe gedacht, dass Sie mir, wenn es nicht zu viel Mühe macht, den kürzesten und direktesten Weg zu Veterinär Martinussen zeigen können?«
    »Was!« Der Wachmann ließ aus reiner Verblüffung seinen Schlagstock fallen. Wie zum Teufel war er an ihnen vorbeigekommen?
    »Kommen Sie da raus!«, rief der andere Wachmann und erhob sich mit erhobenem Schlagstock von seinem Stuhl. Konnten die Moslems nicht zu einer angemessenen Zeit kommen wie all die anderen Fanatiker?
    Er stieß Odin schnell aus der Tür, sodass Odins graue Bekleidung, die einem Shalwar-Kamiz ähnelte, ihm um die Beine flatterte und er beinahe hinfiel.
    »Diese Fanatiker schrecken auch vor nichts zurück«, sagte der Wachmann ärgerlich zu seinem Kollegen, und im selben Augenblick schlich sich Gunnar der Kopf hinter den Wachen vorbei, und sie entdeckten ihn erst, als der Mann mit dem riesigen Kopf so weit die Straße hinuntergelaufen war, dass sie nur noch mutmaßen konnten, woher er gekommen war.
    »Was für unfreundliche Menschen«, sagte Odin, als sie aus ihrem Gesichtsfeld waren, aber sein Freund mit dem riesigen Kopf antwortete nicht.
    Nein, Gunnar der Kopf war ganz damit beschäftigt herauszufinden, wie sie am besten außer Reichweite des Krankenhauses kamen, ohne gesehen zu werden. Es war nicht leicht, klar zu denken mit dem Kopf unter dem Arm, aber er musste mit dem zurechtkommen, was er hatte. Und erinnerte er sich nicht an

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