Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
Vom Netzwerk:
einen Fußweg hinter dem Krankenhaus, der zum Park führte, wo er gewöhnlich Fußball spielte? Ja, Gunnar der Kopf kratzte sich am rechten Ellbogen. Wenn sie den Weg zum Park fanden, waren sie in Sicherheit. Der Mann mit dem riesigen Kopf wandte sich nach rechts und wieder nach rechts, und das Glück war mit ihnen: Da lag der Park.
    Es war noch immer dunkel, und es war schwer, unter den großen Bäumen richtig zu sehen. Odin stolperte über einen heruntergefallenen Ast und blieb einen Augenblick stehen. Gunnar
der Kopf drängte seinen Kameraden zur Eile; sie mussten so weit wie möglich vom Krankenhaus wegkommen, bevor ihr Verschwinden entdeckt wurde. Doch Odins bescheidene Größe war einer Flucht eher hinderlich, und bald sah Gunnar der Kopf keine andere Möglichkeit als die, Odin auf seine Schultern zu heben. So kamen sie wesentlich schneller vorwärts, und es dauerte nicht lange, bis der Park abrupt aufhörte und sich auf allen Seiten die Stadt vor ihnen ausbreitete. Jetzt merkte Gunnar der Kopf, dass er vergessen hatte, ihre Flucht über das Krankenhausterrain hinaus zu planen. Der Mann mit dem riesigen Kopf kratzte sich nervös an seinem rechten Ellbogen.
    »Es gibt wahrlich kein Unglück, dem ein wenig Glück nicht abhelfen kann«, piepste Odin und sah von seiner erhöhten Position herab, die eine Hand auf dem Hufeisen in seiner Brusttasche.
    Und da ihre Nasen nach Osten wiesen und die eine Richtung ihnen nicht besser erschien als die andere, nahmen sie Kurs auf den Horizont, an dem sich im Laufe von einigen Stunden die Sonne oder zumindest ein bewölktes Tageslicht zeigen würde. Anfangs begegneten sie so gut wie niemandem. Ein paar Autos fuhren an ihnen vorbei, und ein einsamer Radfahrer kippte beinahe um, als er sie erblickte. Doch als Gunnar der Kopf und Odin sich dem Stadtzentrum näherten, war es fast sechs – die Bäckermeister hatten die Öfen voller Brot und Kuchen, die Zeitungsboten waren auf dem Heimweg von der Arbeit, und die Handwerker machten sich auf den Weg. Die Anzahl der Menschen im Straßenbild nahm immer mehr zu genau wie die Sorge von Gunnar dem Kopf, dass jemand Odin wiedererkennen und die Polizei alarmieren würde. Deshalb hob er Odin von seinen Schultern, als sie an einen großen Platz kamen.
    »Wir sollten nicht die Aufmerksamkeit der Leute auf uns ziehen«, sagte er und sah sich ängstlich um. »Ich muss jetzt nachdenken. « Gunnar der Kopf setzte sich auf eine Bank und kratzte sich am rechten Ellbogen.
    Nicht weit von Odins Füßen suchte eine Taube zwischen den Pflastersteinen nach Krumen. Das erinnerte Odin an etwas, aber er wusste nicht an was. Er stieß einen leisen gackernden Laut
aus, und der Vogel hob den Kopf und hinkte steifbeinig zu ihm hinüber. Aber bevor der Vogel ihn erreicht hatte, bekam er Angst und flatterte davon. Odin zog enttäuscht an seinem Bart. Es war höchste Zeit, dass Veterinär Martinussen und er zurück nach Smedieby kamen, damit Rigmaroles unglückseliges Bein behandelt werden und er die Unheilsbotschaften weiterleiten konnte, an die er sich im Moment nicht mehr erinnerte.
    »Gunnar mit dem Kopf«, rief er. »Ich muss dringend jemanden finden. Ich muss Sigbrit Holland finden, fünfhundertzweiundvierzig, sechshundertvierzehn, vierunddreißig.«
     
    Eine Dreiviertelstunde später saßen Odin, Gunnar der Kopf und Sigbrit Holland im Steuerhaus des grün-orangenen Fischerboots. Es hatte ein wenig Zeit gebraucht, den Fischer Ambrosius herauszuklopfen, und er sah noch immer nicht ganz wach aus. Sein Haar stand ungekämmt in die Luft, seine Augen blinzelten schläfrig, und er konnte ein Gähnen nicht unterdrücken, während er den Kessel auf die Gasflamme setzte. Sein nackter Oberkörper enthüllte eine schöne milchweiße Haut voller Sommersprossen und rotblonder Haare, die etwas dunkler waren als die Haare auf seinem Kopf, und obwohl er gut gepolstert war, war sein Körper noch immer fest und muskulös. Plötzlich sah der Fischer Ambrosius auf und fing Sigbrit Hollands Blick ein. Eine leichte Röte schoss ihr in die Wangen.
    »Es tut mir Leid, dass wir Sie geweckt haben«, sagte sie schnell. »Aber ich wusste nicht, wo ich sonst mit Odin und seinem Freund hätte hingehen sollen.«
    »Das macht nichts, holde Frau. Wir freuen uns immer, Sie hier zu sehen.« Der Fischer lächelte warm. »Doch lassen Sie uns erst einmal Kaffee trinken, dann redet es sich besser.« Er nahm den verbeulten Kessel vom Gas, goss Wasser in den Filter, ließ es hindurchlaufen und

Weitere Kostenlose Bücher