Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
verirrtes Frühjahrsbächlein auf, schütteten wir es zu oder warfen Planken hinüber.
Das brauchte nicht viel Zeit, denn die Zahl der Hände, die zupacken konnten, hatte sich inzwischen vervierfacht. Im Schutz einer königlichen Gesandtschaft zu reisen, ist ja vorteilhaft, auch wenn sie nur so klein wie die unsrige ist. So hatte sich nach und nach hinter uns ein Tross gebildet: ein jüdischer Kaufmann, ein Reliquienhändler aus Benevent, eine Gruppe aus Rom heimkehrender Pilger, Handwerker, Bauern und eine Gauklertruppe.
Odo ritt an der Spitze. Er konnte es sich nicht versagen, seinem neuen Pferd von Zeit zu Zeit eine Probe seines Könnens abzuverlangen. Wann immer ein Hindernis auftauchte, ließ er Impetus springen. Er trieb ihn ein Stück ins Unterholz, um ein Reh zu verfolgen, das über die Straße gewechselt war. Es stellte sich heraus, dass Impetus konnte, was ein Pferd können muss, und dass sein früherer Herr sich viel Mühe mit ihm gegeben hatte.
Schließlich, als ein längeres gerades Stück Wegs vor uns lag, nahm Odo die Zügel kurz, rief „Furi! Furi!“ und legte mit Impetus einen wilden Galopp hin, sodass wir nur noch eine Staubwolke sahen.
Das war ein Fehler. Unsere Ordnung löste sich auf, weil einige Pferde nicht mehr zu halten waren. Auch Fulks kleinen Rappen packte der Ehrgeiz, er stürmte los. Andere Pferde folgten ihm. Sogar mein Grisel wurde vom Wettkampffieber ergriffen und eilte hinterher.
Da gab es plötzlich vorn ein Gedränge. Ich hörte Wiehern und raues Schimpfen. Als ich heran war, sah ich, wie Odos Grauschimmel sich bäumte, als wollte er seinen Reiter abwerfen.
Vor uns war die Straße durch einen Trupp von fünfzehn, zwanzig Reitern versperrt, der hier rastete. Einige saßen zu Pferde, andere lagerten unter Bäumen.
Der Anführer, ein junger Kerl mit Helm und Kettenhemd, schrie immer wieder: „Impetus! Das ist Impetus!“
Odo konnte sich zwar im Sattel halten, doch als sich Impetus schon beruhigt hatte, war er immer noch zornig.
„Was schreist du so, Dummkopf? Warum machst du mein Pferd wild?“
„Wenn es heute das Eurige ist“, sagte der junge Mann mit scharfer Betonung, „war es gestern noch das Pferd meines Schwiegervaters!“
„Und was willst du damit sagen, Grünschnabel? Glaubst du, ich hätte es gestohlen?“
„Mein Schwiegervater wollte auf diesem Pferd zum Heer. Er ritt nie ein anderes.“
„Wer ist dein Schwiegervater?“
„Der Zentgraf Mommo. Ich heiße Farold. Und wer seid Ihr?“
„Nicht du hast hier Fragen zu stellen. Das Pferd habe ich auf dem Markt erworben. Vermutlich hat es dein Schwiegervater verkauft, bevor er weiterzog nach der Pfalz.“
„Aber er wollte zuerst hierher kommen. Wir sollten ihn hier erwarten.“
„Seid ihr das Aufgebot eurer Zent?“
„Ja. Wir sind alle zum Heer unterwegs.“
„Recht spät. Wenn ihr euch nicht beeilt, ist der Krieg zu Ende.“
Fulk, der an Odos Seite hielt, musterte die Männer mit prüfendem Blick.
„Mit denen wird unser König nicht viel ausrichten können“, knurrte er verächtlich. „Kochtöpfe statt Helme. Küchenmesser statt Schwerter. Weiberhaufen!“
„Wenn Ihr uns beleidigen wollt …“, schrie der junge Farold mit dem Griff zum Schwertknauf.
Ich hielt es für geboten, mäßigend einzugreifen, und lenkte meinen Esel heran.
„So beruhigt Euch doch! Wir sind königliche Kommissare. Es wird besser sein, keinen Streit mit uns anzufangen. Wenn Ihr darauf besteht, werden wir uns ausweisen. Wie lange wartet ihr schon an dieser Stelle?“
„Den ganzen Tag. Wir sind beim ersten Hahnenschrei losgeritten. Unser Dorf liegt zehn Meilen von hier entfernt.“
„Und seid Ihr sicher, am richtigen Ort zu sein?“
„Da steht die Wodanseiche, der Treffpunkt.“
„Es gibt keine Wodanseichen mehr!“, sagte ich streng. „Gott der Herr hat diese Eiche geschaffen, aber nicht zum Götzendienst. Warum wolltet ihr euch erst hier mit euerm Schwiegervater, dem Zentgrafen, vereinigen?“
„Er wollte vorher noch zu seinem Heiligen beten und um Schutz flehen.“
„Welchem Heiligen?“
„Dem heiligen Ponz. Das ist ein Ahnherr seiner Familie. Er lebte vor langer Zeit als Einsiedler in einer Höhle. Dort ist auch sein Grab, ein paar Meilen von hier.“
„Und warum habt ihr nicht jemanden dorthin geschickt?“
„Das haben wir ja. Die Männer sind gerade zurückgekehrt. Von meinem Schwiegervater keine Spur.“
„Seid ihr gemeinsam mit ihm aufgebrochen?“
„Nein. Er ist schon bei Nacht
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