Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
Vielleicht war er Advokat eines Klosters und versorgte seinen vergnügungssüchtigen Abt (leider gibt es ja solche Herren) durch Überfälle mit Geld und Luxus. Vielleicht war er der Zentgraf selbst? Der Pferdehändler wollte den Mann oder einen, der ihm ähnelte, wiedererkannt haben. Entzog er sich dem Kriegsdienst, um irgendwo ein behagliches Leben ohne Gott, ohne König und ohne Pflichten zu führen? Brauchte er dazu das Geld`?
Nein, dieser Gedanke war abwegig, ich verwarf ihn sofort. Der Mann hinkte, er war ohnehin nicht mehr kriegstüchtig. Mochte er sein, wer er wollte. Eigentlich war es nicht klug, länger darüber nachzudenken. Und vollkommen ausgeschlossen war es, irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Wenn wir dem Grafen Hrotbert einen Hinweis gaben, würden wir unserer Pflicht genügen. Mochte er selbst nach seinem Zentgrafen suchen!
Um die Wahrheit zu sagen, es wäre Odo am liebsten gewesen, die Sache mit Schweigen zu übergehen. Er hing schon so sehr an seinem Impetus, dass die Sorge, ihn wieder hergeben zu müssen, mit seinem Gerechtigkeitssinn in Konflikt geriet. Erst als ich ihm versicherte, dass ein rechtsgültiger Kauf vor Zeugen, nämlich Fulk und mir, auf keinen Fall wieder rückgängig gemacht werden könne, war er beruhigt.
3. Kapitel
Es dämmerte früher, als uns lieb war. Der Wald zu beiden Seiten der Straße verwandelte sich. Sein geheimnisvolles nächtliches Leben erwachte, Gefahr zog herauf. Zeit war es zu rasten.
Wir befragten einen Köhler und seine Auskunft nahm uns die Hoffnung, den Grafensitz noch an diesem Tag zu erreichen. Doch sei ein großes Dorf mit einem Herrenhof in der Nähe. Auch ein Flüsschen gebe es dort, um die Pferde zu tränken. Odo gab dem Mann ein Halbstück und befahl, uns dorthin zu führen.
Nach kurzer Zeit verließen wir die Straße. Über einen schmalen, durch dichtes Unterholz geschlagenen Pfad ging es einen Hügel hinauf, dann wieder hinab und nochmals hinauf. Schließlich blickten wir auf ein Tal hinunter, aus dem uns ein paar Lichter entgegen glühten wie Johannisfunken im Grase. Die meisten sah man an der Stelle, wo sich das Herrenhaus befand. Die Häuser und Hütten, die es umgaben und über das ganze Tal verstreut waren, konnte man nur noch schemenhaft wahrnehmen.
„Wem gehört dieses Dorf?“, fragte ich.
„Das meiste gehört Herrn Mommo“, antwortete unser Führer. . „Dort seht Ihr den Herrenhof und das Saalhaus. Ihr werdet gastliche Aufnahme finden.“
„Ist Herr Mommo vielleicht euer Zentgraf?“
„Ja.“
„Und weißt du, ob er zu Hause ist?“
„Das wohl nicht. Er gehört zum Heerbann und ist sicher schon fort. Genau weiß ich es aber nicht, lebe ja im Wald.“
„Wir sollten uns eine andere Herberge suchen“, sagte Odo unwillig. „Wenn der Zentgraf nicht zu Hause ist … wer soll uns empfangen?“
„Oh, darüber macht Euch keine Sorgen. Empfangen wird Euch Frau Begga, die Zentgräfin. Sie kümmert sich hier auch sonst um alles. Befehlt Ihr, dass ich Euch bis ans Tor führe?“
„Nicht nötig“, sagte ich, „das kann Impetus tun.“
Der Köhler hatte das Pferd in der Dunkelheit nicht erkannt. Bevor er sich aber wundern konnte, hatten wir ihn zurückgelassen.
In langer Reihe krochen wir, Menschen, Tiere und Wagen, den flachen Hügel hinunter. Der breiter werdende, ausgetretene Pfad wand sich direkt auf das Anwesen zu. Unter Trappeln und Knarren, Rasseln und Scheppern näherten wir uns dem Tor.
Plötzlich hob Odo, der vorn ritt, die Hand und brachte Impetus zum Stehen. So zerrten auch wir anderen an den Zügeln, starrten nach vorn und spitzten die Ohren.
Und da hörten wir eine Stimme. Eine hohe männliche Stimme. Dazu als Begleitung Harfentöne. Das klang von dort unten herauf aus dem Herrenhaus. Es war ein Gesang, wie wir ihn erst vor wenigen Tagen in der Halle des Königs vernommen hatten. Der Gesang des berühmten Skops – des Herrn Siegram.
„Ein guter Bekannter“, sagte Odo. „Wusste ich doch, ich würde Goldkehlchen wiederbegegnen.“
„Du hattest Recht“, bemerkte ich. „Hätten wir es nur woanders versucht.“
„Warum? So wird der Abend vielleicht noch kurzweilig.“
„Ich fürchte, du könntest die Kurzweil zu weit treiben.“
„Was meinst du damit?“
„Du verstehst mich schon.“
„Beruhige dich, ängstliche Pfaffenseele! Wir werden dem Singvogel lauschen und sein buntes Gefieder bewundern. Nur muss er vermeiden, noch einmal von unseren Stiefeln zu singen, das würden sie diesmal krumm
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