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Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Titel: Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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ich dachte auch an unsere Ankunft im Saalhaus des Herrenhofs, erinnerte mich des ersten Eindrucks, den wir von ihr gewonnen hatten. Warum war ich darauf nicht gleich gekommen? Hatte ich nicht schon früher begriffen, dass Siegrams Gesang der Schlüssel zu dieser Tür war?
    Ich beendete meine Andacht und setzte mich draußen zu dem Sänger. Wieviel Zeit er brauchen würde, um ein Lied zu dichten, fragte ich ihn. Er antwortete, das käme darauf an, für ein einfaches Preislied würde er manchmal nur ein paar Morgenstunden benötigen. Ein Heldenlied sei schon schwieriger, weil eine Handlung geknüpft werden und viel Sorgfalt auf die Gestalten des Liedes und ihre Sprache gelegt werden müsse. Da sagte ich, es solle ein Heldenlied sein, doch sei die Heldin eine Frau vom Schlage der alten merowingischen Königinnen, die zwei Säkula vor uns gelebt hatten, der Brunichilde und Fredegunde, und auch ihre Taten seien Verbrechen.
    Siegram begriff sofort. Es bedurfte nicht vieler Worte, um uns zu verständigten. Seine Aufgabe war es, aus allem, was über Frau Begga bekannt war, eine Handlung zu formen und diese in sangbare Verse zu setzen. Abgesehen von den ungewöhnlichen Umständen war es nicht das erste Mal, dass dem Sänger ein solcher Auftrag erteilt wurde. Mancher adelige Herr wünscht sich ja, die Taten seiner Ahnen besungen zu hören, und es ist oft nur dunkle Kunde, nach der die Dichter ihre Werke gestalten müssen. Je besser ihnen dies gelingt, desto höher ist die Belohnung. Auch in diesem Fall gab es nur wenige sichere Tatsachen, dafür umso mehr Vermutungen und Gerüchte. Der Preis allerdings war der höchste, um den dieser Skop je gedichtet hatte. Es war seine Freiheit.
    So nahm Herr Siegram seine Aufgabe überaus ernst. Mit einer Schreibtafel in der Hand fragte er mich aus. Er lief auch, von Fulk begleitet, herum und erkundigte sich bei den Leuten des Castells nach allem, was sie nur irgendwie zum Thema beitragen konnten. Sehr unzufrieden war er mit den Angaben zur Herkunft der Heldin des Liedes. Beinahe wäre daran alles gescheitert, denn es gehört zur Berufsehre eines Skops, nur über Menschen zu berichten, die sich schon von Geburt her vor gewöhnlichen Sterblichen auszeichnen. Er hätte wohl lieber für immer geschwiegen und gelitten, als sich mit dem Makel belastet, jemals ein Heldenlied über einen Mann oder eine Frau aus dem Volke gedichtet zu haben.
    So mussten zusätzliche Nachforschungen angestellt werden. Ich wandte mich an den alten Arnfried, der von Hrotbert vorübergehend zum Zentgrafen und Verwalter des Haukschen Benefizes ernannt worden war. Er kam nun oft zum Castell herüber, um die gröbsten Missstände zu beseitigen. Zum Glück war er gut unterrichtet. Frau Begga hatte keine Gelegenheit ausgelassen, den neuen Verwandten ihre vornehme Herkunft vorzuhalten und die schlimmen Wechselfälle zu beklagen, die sie hierher verschlagen hatten. Der alte Uhu, der in drei Tagen drei jüngere Verwandte verloren hatte, erzählte mir alles, was er wusste, traurig mit den Augen zwinkernd, doch ohne eine einzige zornige Aufwallung, mit der unendlichen Nachsicht des Weisen.
    Was ich erfuhr, gab ich an Siegram weiter, der sich nun unverzüglich ans Werk machte.

10. Kapitel
    Der dritte Tag kam heran. Das Wetter war umgeschlagen. Grau wölbte sich der Himmel und schwarze, bizarr geformte Wolken zogen tief und eilig vorüber.
    Sonst war alles fast wie bei der ersten außerordentlichen Versammlung. Hrotbert war mit seinen Schöffen gekommen. Odo, der noch schwach war und seine verletzte Schulter und den unbeweglichen Arm unter einem weiten Mantel verbarg, hatte sich am Stock zu seinem Platz unter der Esche geschleppt. Siegram trug sein golddurchwirktes Gewand, doch wehte der Umhang diesmal stärker. Bei der Klägerpartei fehlte Hauk, der inzwischen auch unter der Erde lag. Aber die knorrigen Alten waren da und es war wieder die Fibel mit dem Vogelkopf, die Frau Beggas Umhang am Halse zusammenhielt. Es mochten wohl auch an die hundert Männer mehr sein, die diesmal ringsum im Wiesengras hockten.
    Hatte es jemals eine Gerichtsversammlung gegeben, auf der der Angeklagte sich singend verteidigte? Ich glaube nicht. Dies war wohl die erste und einzige und würde die erste und einzige bleiben.
    Zu Anfang gab der Graf mir das Wort, damit ich das Ergebnis der inquisitio bekanntgab. Natürlich hatten wir uns vorher verständigt. Ich erhob mich und sagte etwas von der unendlichen Weisheit Gottes, der dem Menschen die Gabe

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