Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
ich nahe an meinem Ohr ein raues, trockenes Frauenlachen. Gleich wurde es um mich wieder hell, der Deckel der Truhe war hochgeklappt. Befreit warf ich den Kopf zurück. Ich wischte die Augen, keuchte, stöhnte, räusperte mich. Jetzt sah ich einen weißen Arm, der wie ein Stützpfosten gegen den Deckel der Truhe gestemmt war, und dann ebenso runde nackte Schultern, auf die eine blonde Mähne herabfiel. Neben mir kniete Frau Begga, im Hemd, die großen lebhaften Augen auf mich herabgesenkt (denn auch in dieser Haltung überragte sie mich um Haupteslänge), mit einem Ausdruck, der mir wohl unvergesslich bleiben wird: einer Mischung von Triumph und Verachtung.
„Bist du zufrieden, Mönchlein?“, sagte sie. „Glaubst du, dass ich es so gemacht habe? Oder vielleicht war es so?“
Sie ließ den Deckel der Truhe los. Er blieb hoch geklappt. Sie stieß die Truhe ein wenig an. Jetzt fiel er herab. Bei dem krachenden Laut schrie ich auf. Mir war, als würde mir der Kopf abgetrennt.
Frau Begga ließ wieder ihr raues Lachen hören.
„Schade. Du wirst es nicht erfahren. Es war niemand dabei.“
Ich zitterte noch immer. Sie griff mir unter die Arme und half mir beim Aufstehen. Aus der anderen Truhe nahm sie ein seidenes Tuch und reichte es mir.
„Wischt Euch damit den Schweiß ab.“
Ich tat es. Sie stellte sich vor den Spiegel und fuhr mit einem Kamm durch ihr Haar.
„Und jetzt geht! Sehr Ihr nicht, dass Ihr Euch in meinem Ankleidezimmer befindet? Gleich werden mein Gemahl und meine Tochter beerdigt. Lasst mich allein!“
Ich nickte gehorsam und wankte hinaus. Erst durch die Kammer, dann durch den Saal, dann ins Freie.
Du bist nun gewiss überzeugt, mein lieber Volbertus, dass ich nichts beschönige, sondern Dir nur die reine Wahrheit berichte. Die Art und Weise, wie ich die Todesursache der Frau Chrodelind herausfand, gereicht mir ja nicht gerade zum Ruhme. Die Mörderin hätte mich ebenso töten können, und bei ihrem Geschick, alles zu ihren Gunsten zu wenden, wäre sie wohl auch in dem Fall ohne Anklage davongekommen. Konnte ich in meinem Übereifer, den Inhalt der Truhe zu untersuchen, nicht selbst den tödlichen Fall des Deckels verursacht haben? Höhnisch und gleichzeitig mitleidig zeigte mir diese erstaunliche Frau, dass sie mich für einen erbärmlichen Stümper hielt, schlimmer noch, für einen jämmerlichen Kerl überhaupt.
Nun hätte ich mich natürlich damit trösten können, dass es die Liebe Gottes, nicht aber die Bewunderung der Frauen ist, was ich erstrebe. Eitelkeit, Ehrgeiz und heldisches Gehabe sollen unsereinem ja fremd sein. Aber so einfach ist das nicht. Meine Niederlage, die mit einem schmählichen Hinauswurf, einem lächerlichen Abgang aus einem Raum endete, den ich als Amtsperson festen Schrittes betreten hatte, musste vergessen gemacht werden, wenn unsere ganze Mission nicht fragwürdig werden sollte. Es durfte nicht sein, dass wir weiterreisten, ohne zwei Morde, denen wahrscheinlich ein dritter vorausgegangen war, bestraft zu haben. Was wollten wir dann überhaupt noch ausrichten?
Ich habe mich in diesem Tagen oft gefragt, ob mich vielleicht noch andere Gründe leiteten, als ich das Mittel ersann, mit dessen Hilfe wir Frau Begga schließlich zu einem öffentlichen Schuldbekenntnis brachten. Ich habe mich gefragt, ob es nicht jenen trüben Bodensatz in meiner Seele gibt, von dem Odo gesprochen hatte. War das Mittel erlaubt? War es gerechtfertigt? War es christlich? Oder war es nicht vielmehr heimtückisch? Vielleicht sogar teuflisch? Gewiss, unter diesen anderen Gründen gab es die Einsicht, dass wir Siegram nicht länger festhalten durften. Es gab die Bewunderung für Odo, der die Wahrheit herausgefunden hatte und sich nicht ganz unnötigerweise mit einer Pfeilwunde in der Schulter herumquälen sollte. Aber gab es vielleicht auch Gründe, die ein rachsüchtiger, in seiner Würde gekränkter Amtsinhaber hatte – ein neidischer, blutleerer Gottesmann, der seine Freude daran hat, wenn Menschen an ihren Leidenschaften zugrunde gehen? Wüsste ich auf all das die richtige Antwort!
Mommo und seine Tochter Chrodelind wurden auf einem kleinen Friedhof am Waldrand begraben. Dabei geschah nichts Auffälliges, das mitteilenswert wäre. Unsere und Hrotberts Leute standen schwer bewaffnet dabei und warfen einschüchternde Blicke um sich.
Frau Begga gab sich nicht mehr die Mühe, Trauer zu heucheln. Sie blickte nicht einmal hin, als die Toten in ihre Särge gelegt wurden. Das Kreuz mit dem Opal
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