Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
verliehen habe, sich nicht nur mit Worten, sondern, wenn diese nicht ausreichten, auch in Tönen zu äußern. Der Angeklagte habe bedauert, beim ersten Mal, als er nur mit Worten plädierte, nicht in der Lage gewesen zu sein, alles auszudrücken, was er zu sagen habe. Er wolle dies jetzt nachholen, doch bitte er, singend plädieren zu dürfen. Die Untersuchung, schloss ich, habe ergeben, dass dies der sicherste Weg sei, die Wahrheit zu finden.
Ich setzte mich. Ein Blick der Frau Begga traf mich, scharf wie ein Schwerthieb. Hatte sie verstanden? Durchschaute sie mich?
Hrotbert forderte Siegram auf zu beginnen. Der Sänger trat in die Mitte. Er griff kräftig in die Saiten der Harfe und seine helle, klare, Stimme erhob sich mühelos über das Windsausen und Blätterrascheln.
Während die schwarzen Wolken über uns hin jagten, hörten wir das Lied von der Rache der Demetria.
Sie war eine aquitanische Jungfrau, weithin berühmt für ihre Schönheit und ihren Edelmut.
Obwohl sie fast noch ein Kind war, übertraf sie alle Mädchen an Liebreiz und alle jungen Männer an Kraft und Geschicklichkeit.
Ihr Vater, ein großer und edler Herr, war Gefolgsmann des mächtigen Fürsten Hunold.
In Treue hielt er fest an seinem Vasalleneid, auch dann noch, als sich der Fürst rebellisch gegen den König wandte.
Der große Karl vertrieb den Fürsten und seinen treuen Vasallen.
Die schöne Demetria wurde heimatlos.
Loup, der Herzog der Gascogne, nahm die Fliehenden auf.
Doch er erwies sich als Verräter.
Er lieferte Hunold und seinen treuen Vasallen dem König aus.
Demetrias Vater wurde hingerichtet, sie selbst als Sklavin verkauft.
Siegram machte eine Pause und sah zu Frau Begga hin. Betroffen und angerührt von der Erinnerung stand sie reglos am Rande des Gerichtsplatzes. Sie atmete schwer, doch war dies das einzige sichtbare Zeichen ihrer Teilnahme. Offenbar war sie bemüht, sich zu beherrschen. Ja, sie ahnte wohl, was wir vorhatten, und sie kannte ihre Schwäche.
Aus der Ferne hörten wir dumpfes Gewittergrollen. Der Skop schlug die Saiten und fuhr fort.
Nun musste die schöne Demetria dienen.
Niedere Arbeiten wurden ihr zugemutet.
Sie teilte das Lager mit schmutzigen Mägden.
Dennoch erblühte sie immer mehr und übertraf alle reich geputzten jungen Damen an Anmut und vornehmer Haltung.
Grafen und andere Edle bemerkten dies und versuchten, sich ihr zu nähern.
Doch alle wies sie voller Entrüstung ab.
Sie wartete auf ihren Befreier.
Nur er war es, den sie mit heißem Herzen herbeisehnte.
In Soissons, wo sie im Haus eines Bischofs diente, erschien eines Tages ihr Held.
Er hieß Adalmar.
Frau Begga stieß einen schweren Seufzer aus. Ein Blitz zuckte hinten am Horizont. Die blonden Haare des Sängers flatterten. Die Männer auf der Wiese erhoben sich einer nach dem anderen und traten näher, um nichts zu verpassen.
Frau Beggas Blick hing an Siegrams Mund und nun erklomm er mit seiner Stimme strahlende Höhen.
Er war der herrlichste Mann, den es je gab.
Er konnte die Sonne ersetzen, wenn sie nicht schien.
Sie liebten sich und er bot ihr die Hand zum Ehebund.
Aufgrund von untrüglichen Zeichen erwies sich nun auch ihre hohe Geburt.
Die schöne Demetria war glücklich.
Alles hatte sich zum Guten gewendet.
Sie begleitete ihren Geliebten und Gatten auf seinen Reisen von Land zu Land.
Die Großen bewunderten seine Kunst und huldigten ihrer Schönheit.
Kein edleres Paar ward je gesehen als Adalmar und Demetria.
Aber die bösen Mächte ruhten nicht.
Sie neideten den beiden ihr Glück.
In einem finsteren Winkel, wo sie herbergen mussten, ereilte den herrlichen Mann sein Schicksal.
Eine Zauberin lockte ihn in einen Hinterhalt.
Ein Unhold erschlug ihn mit seinem Beil!
Jetzt schrie die Frau auf. Ein Blitz beleuchtete grell ihr Gesicht. Ein Windstoß riss ihr den Schleier vom Kopf, der davon wehte, über die Reihen der Männer hinweg.
Der Sänger wartete nur den Donnerschlag ab.
So wurde die schöne Demetria wieder ins Unglück gestoßen.
Niemand vermochte die Tränen zu zählen, die sie um Adalmar vergoss.
Doch als sie keine mehr hatte, erhob sie das stolze Haupt.
Nein, diesmal wollte sie nicht wieder Opfer sein.
Sie wollte sich den dunklen Gewalten nicht beugen.
Sie erinnerte sich ihrer Kraft und sie beschloss, den Kampf aufzunehmen.
So harrte sie in dem finsteren Winkel aus, um ihn nicht eher zu verlassen, als sie gesiegt hatte.
Die Zauberin tarnte sich gern als fleißige Hausfrau.
Eines Tages
Weitere Kostenlose Bücher