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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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verspotteten und belästigten uns und führten gottlose Reden, doch wir hielten es aus und sprachen das Nachtgebet. Wie wir nun aber einschlafen wollten, kamen plötzlich noch späte Gäste herein, ein edler Herr Gogo mit Gefolge, die verschafften sich rücksichtslos Platz, und es wurde noch enger. Das Kloster des heiligen Dionysius hat nämlich nur ein einziges Gästehaus, und die Edlen lagern beim einfachen Volke. Der Herr Gogo und seine Leute waren sehr lustig und lärmten, und nun bekreuzigt Euch und erfahrt, was weiter geschah. Sie machten sich an uns heran und forderten uns zur Unzucht auf. Sie boten uns auch Wein an und zeigten uns Goldstücke. Der Herr Gogo ging gleich zu der Fausta, und denkt nur, obwohl sie immer so streng und fromm tat, gefiel ihr das, und sie trank mit ihm. Da waren wir alle sehr erschrocken und wußten gar nicht, was davon zu halten war. Denn wenn auch Herr Gogo ein schöner Mann war mit schwarzem Haar und dickem Schnurrbart und einem feuerroten Mantel aus Seide, so konnte er es doch mit unserm süßen Herrn Jesus nicht aufnehmen. Aber die Fausta ging mit ihm hinaus und kam nicht wieder. Und weil so ein schlechtes Beispiel ansteckend wirkt, fielen in dieser Nacht noch vier andere Schwestern dem Teufel der Wollust zum Opfer und ließen sich willig unterlegen und taten, was ich nicht sagen kann. Nur Schwester Licinia und ich blieben standhaft und bissen und kratzten und ließen uns lieber schlagen als unterlegen. Und die heilige Jungfrau half uns und auch der heilige Martin von Tours, zu dem wir schrien in unserer Not. Schließlich waren wir siegreich, aber wir wagten nicht zu schlafen und hockten in einer Ecke und wachten im Gebet bis zum Morgen. Da kamen die anderen vier wieder zu uns, aber wir wollten sie nicht mehr kennen. Die Fausta war überhaupt verschwunden, und auch Herr Gogo war fort. Seine Gefolgsleute schlugen Lärm und waren sehr zornig, der Prior und die Mönche liefen umher und suchten ihn. Aber er wurde nicht gefunden, und alles Volk machte, daß es fortkam, um von den zornigen Männern nicht erschlagen zu werden. Da nahmen auch wir, Schwester Licinia und ich, unsere Bündel, und die anderen vier wollten mit uns gehen, aber wir spuckten in ihre Gesichter. Die Mönche aus Aubigny, mit denen wir reisen, brachen Stöcke ab und züchtigten sie. Mögen diese Verlorenen ewige Strafe erleiden. Wir ziehen singend und betend ohne sie weiter, und wenn es dem Herrn gefällt, werden wir seine Stadt und auch den heiligen Vater sehen. Dich aber, ehrwürdige Mutter, bitten wir demütig um Verzeihung unseres Ungehorsams wegen und weil wir so lange der Fausta den Willen taten. Verdammt soll sie sein, die Elende, Falsche. Dies alles solltest Du wissen, und nun lebe wohl. Gott gebe Dir Gesundheit und Frieden. Amen.“
    Murmelnd las ich den Brief von Anfang bis Ende. Von Zeit zu Zeit stockte ich wegen des schauderhaften Lateins der Schwester Maxentia, aber auch weil immer wieder die Buchstaben vor meinen Augen zu tanzen begannen, was zweifellos eine Täuschung und die Folge des Weingenusses war. Doch war mein Verstand noch immer wach, und vom Inhalt des Schreibens entging mir nichts.
    Die ehrwürdige Mutter Marcovefa greinte anfangs still vor sich hin. Als ich jedoch an die erschütternden Stellen kam, schlug sie sich an die Brust und wehklagte heftig. Laut rief sie die Namen der vier verlorenen Schafe, die sie als schlechte Hirtin in die grausame Welt entlassen habe. Dabei führte sie unentwegt den Becher zum Munde, doch schüttete sie jetzt das meiste daneben, so daß ihr Ordenskleid über und über befleckt wurde. Auch ich benötigte noch einen Schluck. Dazu mußte ich mit dem Schöpflöffel schon auf dem Boden des Gefäßes herumkratzen. Wir hatten den fast zwei Fuß hohen Krug, der bei meiner Ankunft noch zu drei Viertel voll war, in weniger als zwei Stunden bis zur Neige geleert.
    Die Vesperglocke läutete und rief zum Abendgebet.
    Gleich ging die Tür auf, und das Nönnchen kam wieder hereingetrippelt.
    „Hilf mir, Paulella!“ keuchte die Äbtissin. „Ich will Buße tun! Ich will mich vor Gottes Altar in den Staub werfen! Oh, ich Sünderin! Ich Unwürdige! Bringt Asche! Ich will mich in Asche wälzen!“
    „Mutter!“ rief Paulella besorgt. „Du mußt dich ausruhen! Leg dich nieder!“
    „Nein, nein! In den Staub! In die Asche! So komm doch endlich und stütze mich!“
    Die Mutter Äbtissin machte eine vergebliche Anstrengung, sich aus ihrem Sessel zu erheben. Das Nönnchen eilte

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