Ödland - Thriller
Geistern, der Kampf gegen zindambas oder auch die Beeinflussung des Geistes auf die Entfernung. Zu Hadés großem Missfallen zeigt Abou allerdings bisher keinerlei Sachkenntnis, was diese delikate Kunst angeht. Er ist noch meilenweit davon entfernt, ein so guter Heiler zu sein, wie er es gern wäre.
»Schau einmal genau hin, mein Sohn. Siehst du denn nicht, dass in Laurie nicht die geringste Hexerei am Werk ist?«
»Großmutter«, braust Abou auf, »jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Lehrstunde. Vielleicht stirbt sie gerade!«
»Tss!« Hadé zuckt die Schultern. »Sie ist lediglich sehr schwach und vor allem völlig dehydriert. Magéné, hol mir bitte frisches Wasser und gib eine Prise von dem grauen Pulver hinein, du weißt schon, dem aus der Kalebasse darüber ...«
Magéné nickt und verschwindet im Haus. In diesem Augenblick öffnet Laurie langsam die Augen.
»Ich habe Durst«, flüstert sie mit aufgesprungenen Lippen.
»Du bekommst gleich Wasser, Liebling.« Abou beugt sich über Laurie und küsst sie. Ihr Atem ist heiß und trocken. »Großmutter wird dir helfen...«
»Nein, Sohn«, unterbricht Hadé mit harter Stimme. »Du wirst ihr helfen. Beobachte sie. Sieh sie dir genau an, wie ich es dir beigebracht habe. Verändere deine Wahrnehmung, Abou. Erkenne!«
Zögernd und nervös gehorcht Abou. Er setzt sich auf die Fersen und tastet nun seinerseits Lauries abgemagerten Körper ab, streicht über ihre mit bräunlichen Melanomen übersäte Haut, als überflöge er eine Landschaft, und versucht, unter dem vordergründigen Erscheinungsbild den Fluss der Energie in der Tiefe zu entdecken. Seine Konzentration wird jäh von Magéné unterbrochen, die einen Becher mit trübem Wasser bringt. Er nimmt den Becher und flößt Laurie das Gebräu ein. Sofort kehrt etwas Farbe in ihre Wangen zurück, und sie scheint ein wenig zu Kräften zu kommen.
»Was tust du da, Abou? Du kitzelst mich! Aber doch nicht vor den Leuten...«
»Pst, Liebste! Ich versuche, deine Krankheit zu finden.«
Er nimmt seine Erforschung mit Händen und Augen wieder auf, wie er es viele Male bei Hadé gesehen hat. Er spürt das schwache Klopfen von Lauries Herz, fühlt ihre Muskeln unter seinen Fingern und hört das Gurgeln ihrer inneren Organe. Eine merkwürdige Hitze steigt von Lauries Haut auf, die an manchen Stellen so heiß ist, dass er sich zu verbrühen glaubt. Einen Augenblick lang meint er, eine Art dunkelroter Aura um sie zu sehen, die von den vielen braunen Flecken auf ihrer Haut ausstrahlt. Doch die Anstrengung der Konzentration ermüdet ihn; seine Unsicherheit und Nervosität gewinnen wieder die Oberhand. Er setzt sich auf die Matte und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
»Ich schaffe es nicht, Großmutter«, seufzt er. »Ich sehe zwar, dass sie krank ist, aber ich weiß beim besten Willen nicht, was es sein könnte.«
»Was hast du gesehen? Erzähl mir alles ganz genau.«
Abou erklärt ihr, was er gespürt hat. Hadé nickt bestätigend.
»Gut, Sohn. Für den Anfang war das gar nicht so schlecht. Und du hast erkannt, dass nichts davon mit Hexerei zu tun hat.«
»Ich weiß nicht ... Was hat sie, Großmutter? Sag es mir.«
»Ganz einfach. Sie hat Hautkrebs. Es liegt an der Sonne.«
Beunruhigt setzt Laurie sich auf.
»Ich habe Krebs, Hadé? Sind Sie sicher?«
»Ja, mein Kind. Und zusätzlich noch ein paar andere kleine Übel, die jedoch nicht weiter gefährlich sind. Sagen wir, sie haben von Ihrem geschwächten Immunsystem profitiert, sind aber ganz einfach mit Pflanzen und Tinkturen zu heilen. Was allerdings den Krebs angeht...«
»Dagegen kann man auch etwas tun«, erklärt Laurie mit fester Stimme. »Ich habe gehört, dass neunzig Prozent aller Fälle mit Chemo- und Gentherapie heilbar sind.«
»Das ist sicher richtig«, nickt Hadé, »sofern man die Veränderung rechtzeitig erkennt und die entsprechenden Medikamente zur Verfügung hat. Ihr Krebs jedoch ist schon in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium, Laurie. Sie haben sich zu lang in der Sonne aufgehalten und vergessen, dass Ihre Haut weiß und damit erheblich anfälliger ist.«
»Und was tun wir jetzt?«
»Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder, Sie kehren nach Europa zurück und lassen sich mit Chemotherapie und genmedizinisch behandeln. Die Prozedur ist lang, teuer und schmerzhaft. Sie hinterlässt auf jeden Fall Spuren. Sie dürfen sich niemals wieder der Sonne aussetzen und müssen Ihr Leben lang Medikamente nehmen. So geht man im Westen
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