Ödland - Thriller
sie verschlungen. Auch auf der anderen Seite der Autobahn hat das Denkmal gelitten. Der Turm ist zur Meerseite hin abgebröckelt, und der Regen frisst sich voller Wut in die entstandene Öffnung. Die Ausfahrt wird immer wieder von schäumender Gischt überschwemmt, doch dank Gottes großer Güte verliert der Sturm für einige Augenblicke an Gewalt, sodass die beiden Tanklaster sich auf der Fahrbahn halten können.
Der Fahrer rast mit Höchstgeschwindigkeit bis zum Ende des Parkplatzes, drückt den Fernbedienungsknopf und wirft das Lenkrad nach rechts herum.
»Näher, mein Gott, zu dir!«, schreit er aus vollem Hals. Der Volvo kommt von der Straße ab, durchbricht das Geländer, reißt das Gitter mit, holpert über die aufgeschütteten Steinblöcke hinunter und stürzt in die tobenden Fluten. Vierhundert Meter hinter ihm macht der zweite Tanklastzug genau das Gleiche.
Zehn Sekunden später bricht die Apokalypse los.
In den Tanks ist natürlich kein Flüssiggas, sondern zwanzig Tonnen eines hochkomprimierten Gemischs aus Quecksilberdämpfen, Argon und Krypton in einer Umhüllung aus Verbundmaterial - einem Epoxid aus Kohlenstoffnanoröhren, Aramiden und Polytetrafluorethylen -, die wiederum in einem Stahlzylinder steckt. Dieser enthält außerdem zwei Super-Magnetrons an beiden Enden der Umhüllung, die von der Wasserstoffzelle des Lastwagens betrieben werden. Die Fernbedienung, auf deren Knopf der Fahrer vor seinem Freitod gedrückt hat, ist auf die Wassertiefe am Fuß des Deichs eingestellt. Sie aktiviert die Magnetrons, sobald die Lastwagen auf Grund gesunken sind. Durch das Elektronenbombardement werden die Gase ionisiert und in Plasma verwandelt, das sich auf eine Temperatur von 3500 Grad Celsius aufheizt. Nach fünf Sekunden erreicht das Plasma die kritische Schwelle, wird instabil und explodiert in einer 10 000 Grad Celsius heißen Feuerkugel.
Mehrere Hundert Meter rechts und links der beiden Explosionsherde verwandelt sich der Damm sofort in eine Masse brodelnden Magmas. Druck und Hitze lassen das Meer zurückweichen. Eine Säule aus kochendem Dampf durchdringt die Wolken. Dann kehren die Fluten wütender denn je zurück. Eine hoch aufgetürmte Wellenwand ergießt Millionen Tonnen Wasser auf den sich auflösenden Damm, der wie ein simpler Sandhaufen einfach weggeschwemmt wird und einen neuerlichen Dampfpilz in die brodelnden Wolken entlässt. Die Nordsee stürzt sich ins Ijsselmeer und auf die benachbarten Polder wie eine schwarze Wand aus schäumendem Wasser. Sie zermalmt alles, was ihr im Weg steht, und schwemmt die Trümmer ins Landesinnere. Weitere Extremwellen folgen. Sie vollenden das Zerstörungswerk. Breite Breschen werden in die von Rissen und Spalten durchzogenen Reste des Abschlussdamms gerissen. Ohne an Wucht zu verlieren, überrollen die Wassermassen die Deiche an der Küste und ertränken Tausende von Quadratkilometern des tiefer liegenden Landes unter ihren schlammigen, tosenden Fluten.
Doch die zweifache Plasmaexplosion hat noch eine weitere Folge: Eine elektromagnetische Schockwelle breitet sich mit hoher Geschwindigkeit im Umkreis von etwa 150 Kilometern Entfernung aus und zerstört jedes elektrische oder elektronische Gerät. Bis auf die Provinzen Limburg und Südbrabant wird das gesamte Land lahmgelegt und versinkt in Dunkelheit und Schweigen. Lichter gehen aus. Autos, Züge und Untergrundbahnen bleiben stehen. Flugzeuge stürzen ab. Fernsehgeräte werden schwarz. Radios verstummen. Computer hängen sich auf. Die gesamte Telekommunikation bricht ab. In den Krankenhäusern fallen Scanner und Dialysegeräte einfach aus, und fernbediente chirurgische Instrumente stecken im Fleisch der Patienten fest. Windräder hören auf, sich zu drehen, und Kraftwerke produzieren keinen Strom mehr. Die hydraulischen Pumpen bleiben stehen, Kanäle laufen erst voll und dann über. Hydroponische Gewächshäuser und Legebatterien versinken in Kälte und Schwärze. Verkehrsampeln erlöschen, Navigationssysteme spielen verrückt, die Verkehrsflusskontrollen auf den Autobahnen funktionieren nicht mehr. Die Leuchttürme gehen aus, Schiffe kommen vom Kurs ab und sind dem Sturm hilflos ausgeliefert. In den Fabriken halten die Förderbänder an. Polizei, Sanitäter und Feuerwehr sind handlungsunfähig. Die Niederlande versinken im Chaos. Ein Viertel des Landes steht komplett unter Wasser. Und über dieser Hölle heult der Orkan. Er wütet und tobt mit unverminderter Kraft; das Schicksal der Menschen ist ihm
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