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Öffne deine Seele (German Edition)

Öffne deine Seele (German Edition)

Titel: Öffne deine Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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irgendwo zwischen die Bäume zu pieseln.
    Gespannt beobachtete ich, wie Albrecht reagieren würde.
    Der Hauptkommissar betrachtete Schorlemmer auf eine Weise, wie nur Jörg Albrecht das hinbekam. In meinen ersten Monaten auf dem PK war ich davon überzeugt gewesen, dass er diesen Blick vor dem Spiegel geübt haben musste, dieses aufmerksame, wortlose Mustern, das Zeugen, die bis zu diesem Moment eisern geschwiegen hatten, innerhalb von Minuten dazu brachte, den Mund aufzumachen.
    Doch das war ein Irrtum gewesen. Weder das Schweigen noch der Blick waren irgendwie trainiert oder aufgesetzt. Da war nichts Bedrohliches in diesem Schweigen, kein: Wenn du jetzt nicht redest, dann  …
    Eher ein: Du musst gar nicht reden. Wenn ich dich lange genug ansehe, weiß ich auch so Bescheid.
    Albrecht betrachtete den jungen Mann vielleicht zwanzig Sekunden lang. Ich glaubte zu spüren, wie er Informationen in sich aufnahm, sie übergangslos verarbeitete. Und ich wusste, dass er auf eine nicht nachvollziehbare Weise mehr sah als jeder andere Ermittler, den ich kannte.
    Die Dinge hinter den Dingen. Die Wahrheit, der dieser Mann sein gesamtes Leben auf der Spur war.
    Auf eine Weise war es spannend, mit Jörg Albrecht zu arbeiten. Man konnte nie genau sagen, was als Nächstes passieren würde.
    «Gut.» Er nickte knapp. «Danke.»
    Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand mit langsamen Schritten in Richtung Bassin.
    Schorlemmer hob irritiert eine seiner gezupften Augenbrauen.
    «Ihre Aussage und Ihre Personalien haben wir ja.» Ich lächelte ihm aufmunternd zu. «Und danke, dass Sie auf uns gewartet haben. Das war nicht selbstverständlich.»
    Eine halbe Sekunde sah er Albrecht nach, dann zuckte er die Schultern.
    «Was denken Sie? Wenn Ihre Kollegen – die auf Streife – sich auch immer so anständig aufführen würden, würden in so einem Moment vielleicht viel mehr Leute warten?»
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Anständig .
    Vielleicht denken wir viel zu selten darüber nach, was das wirklich heißt: anständig.
    Denn genau das war es, was auch Lukas Schorlemmer, was auch Lucia war: auf eine ganz eigene, ganz andere Weise anständig.
    «Danke», sagte ich noch einmal. Dann folgte ich dem Hauptkommissar und holte ihn kurz vor dem Becken ein.
    «Vermutlich hat er nichts mit der Tat zu tun», stellte Albrecht mit leiser Stimme fest.
    «Er hat auf uns gewartet», murmelte ich. «Als Einziger. Bei diesem Wetter muss der Volkspark voll gewesen sein mit dem einschlägigen Publikum. Aber als Kempowskis Kollegen sich umgeschaut haben, haben sie nichts gefunden als ein paar gebrauchte Kondome.»
    «Was für sich allein noch nichts bedeuten muss.» Albrecht hob um eine Winzigkeit die Stimme. «Warum hat er tatsächlich gewartet? Das ist die Frage. Wäre das nicht eine ideale Möglichkeit, uns seine Unschuld zu demonstrieren, wenn er in den Fall verwickelt wäre? Schaut, hier bin ich. Ich habe nichts zu verbergen.»
    Ich blinzelte. «Schon …», sagte ich vorsichtig. «Aber auch ziemlich um die Ecke gedacht.»
    Albrecht nickte ruckartig. «Vor allem hätte er sich wesentlich mehr Mühe gegeben, wenn das seine Absicht gewesen wäre. Er hätte uns sämtliche Fragen gestellt, die wir von einem Unbeteiligten erwarten würden: Muss ich noch mal auf die Wache kommen? Muss ich vor Gericht aussagen? Kommt irgendwas hiervon an die Presse? Das hat er nicht getan. Er hat auch Sie nicht gefragt, nehme ich an?»
    «Nein.» Ich schüttelte den Kopf. «Mit anderen Worten: Er ist unverdächtig, weil er sich verdächtig verhält?»
    «Exakt. Es sei denn, er hat all das einkalkuliert und verhält sich bewusst verdächtig, um unverdächtig zu erscheinen.»
    Nein, es war nicht immer ganz einfach, Jörg Albrechts Gedankengängen bis ins letzte Detail zu folgen.
    «Dann trauen Sie ihm eine Menge zu», murmelte ich.
    «Exakt», wiederholte er. «Doch das ist wie gesagt unwahrscheinlich.»
    Einen halben Schritt vor dem niedrigen Geländer blieb er stehen. Einer unserer Helfer war dabei, ein feines Pulver auf das Metall aufzutragen. Lucia hatte mir die Stellen gezeigt, an denen sie selbst die Brüstung ungefähr berührt hatte. Ihre Fingerabdrücke hatte sie uns bereitwillig gegeben.
    «An günstigen Stellen können die Kollegen einfach mit Tesafilm arbeiten.» Martin Euler schlug einen Bogen um eine der Scheinwerferbatterien und kam auf uns zu. «In diesem Fall nur sehr bedingt möglich. Hauptkommissar.» Er schüttelte Albrecht die Hand und

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