Öffne deine Seele (German Edition)

Dennis und Jörg Albrecht sprechen?
    Mit einem Mal ärgerte ich mich. Dieser Mann war Marius ! Was ritt mich, mir schon wieder dieses Psycho-Gequatsche anzuhören?
    Selbst wenn er recht hatte.
    Vielleicht nicht mit den jüngeren Seelen . Aber mit dem Rest.
    Ich hatte durchgehalten.
    «Ich habe eine Menge nachgedacht», murmelte Marius. «Über den Weg, den jeder Einzelne von uns hat. Über unsere Entscheidungen. Im Grunde hast auch du eine Entscheidung getroffen, indem du dich geweigert hast, eine Entscheidung zu treffen. Warum sollte dieser Weg weniger gerechtfertigt sein als jeder andere? Andere sind vielleicht nicht so stark wie du», sagte er leise, «und haben nicht die Kraft, den Weg zu verteidigen, der doch in Wahrheit ihr Weg ist. Das Recht, ihre Geheimnisse zu bewahren, ihre Seele verschlossen zu halten.»
    Nachdenklich betrachtete er mich.
    «Brauchen wir sie nicht alle: unsere kleinen Geheimnisse?», fragte er. «Habe ich das wirklich immer in dieser Deutlichkeit gesehen? Auf einmal bin ich mir nicht mehr sicher. Lernen, Hannah. Vielleicht musste auch ich noch etwas lernen. Und dabei hast du mir geholfen.»
    Blinzelnd sah ich ihn an. «Gern ge-sche-hen», murmelte ich.
    Marius nickte ernst, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
    «Und das war auch schon alles, Hannah.» Er stand auf. Sofort lag Sörens Hand auf seinem Arm.
    Noch immer verwirrt, begleitete ich die beiden zur Tür.
    Die Sonne war hervorgekommen. Keine Gluthitze mehr wie in den Tagen Ende Juni, doch für Marius musste es die Hölle sein.
    Ganz kurz blieb er noch einmal stehen und legte mir die Hand auf den Arm. «Wenn ich dir mal irgendwie helfen kann, Hannah: Ruf einfach an, wir senden montags bis donnerstags.»
    Geleitet von seinem Schüler, stieg er die Stufen hinab und überquerte den Parkplatz, auf einen knallroten Sportwagen mit offenem Verdeck zu.
    Marius glitt hinter das Steuer, schob sich die Brille in die Haare, winkte mir noch einmal fröhlich zu – und gab herzhaft Gas.
    Als ich den Mund wieder zubekam, war er bereits in der Ausfahrt verschwunden.
    Brauchen wir sie nicht alle: unsere kleinen Geheimnisse?

Im Nachhinein
    E s gibt Dinge, von denen ich gar nichts wissen will», äußert Jörg Albrecht an einer Stelle unserer Geschichte. Ist es nicht sehr oft besser, nicht zu wissen? Vollständige Transparenz erreicht am Ende nur eines: Sie beraubt die Welt ihres Zaubers.
    Eine ganz eigene, verzauberte Welt stellt auch ein jeder Roman dar. Er beschreibt niemals die Wirklichkeit «an und für sich», sondern entführt an einen ganz anderen Ort: in den Kopf des Autors, der hier – ganz genau – ein Stück weit seine Seele öffnet.
    Der Leser wird in unserer Geschichte also ein im Hirn des Autors gespiegeltes Hamburg vorfinden, das nach bestem Wissen und Gewissen der realen Freien und Hansestadt entspricht. Sämtliche Örtlichkeiten wurden, wo es irgend möglich ist, persönlich aufgesucht oder von meinen Location Scouts in Augenschein genommen. Dagmar Hergst möchte ich für ihre wiederholten Besuche im Dahliengarten danken (Hübscher Ort. Bei Tageslicht). Mr. CrimeTime Gerd Kuka möge mir bitte verzeihen, dass ich den BMW am Ende nicht habe in die Zollstation am Freihafen rasen lassen, selbst wenn das physikalisch möglich gewesen wäre.
    Bestimmte Orte allerdings gehören einer eigenen und anderen Realität an. So wird der Wanderer am Rande der Harburger Schwarzen Berge wohl die meterhohe geschnitzte Eule vorfinden (sie ist schwer zu übersehen), obendrein die mysteriösen Vertiefungen im Wald über den unterirdischen Stollen des einstigen Bergwerks Robertshall – nicht aber das Domizil des Moderators Marius. Die Neugier der Fans, so scheint es, dürfte ihm wohl endgültig zu viel geworden sein.
    «Öffne deine Seele» und der Autor schulden vielen Menschen Dank, wobei meine Frau Katja an allererster Stelle kommt. Weiterhin meine Betaleser: Matthias Fedrowitz, Michael und Waltraud Rother, Christian Hesse, Anja Meinecke, Anja Köster, Bigi Boerker und Clarion Zelenka. Vero Nefas sei schon für Alois Seydlbachers Idiom gesondert genannt. Diana Sanz hat den gesamten Text als Gammaleserin noch einmal gesichtet und vergibt mir hoffentlich, dass die Halbstarken am Dahliengarten ihre Arme nun doch bis zu den Ellenbogen in den Hosentaschen vergraben. Das Bild war einfach zu schön.
    Eine besondere Inspiration hat für mich das Wahnsinnsspiel rund um den «Herrn deiner Angst» bedeutet. Ein Riesendankeschön an das gesamte Team