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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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und all den anderen Kram; aber sie hat nichts, was die Herzen bewegen kann. Wir besitzen den Märtyrertod von Lazarus, und das hat uns geholfen, die Venus zu kontrollieren, wozu die Vorster nie in der Lage waren. Und jetzt, wo Lazarus höchstpersönlich von den Toten wiederaufersteht …“
    „Du hast dabei das Wesentliche vergessen“, sagte Mondschein leise. „Was sich auf dem Mars ereignet hat, paßt nicht mit dem Mythos zusammen. Lazarus ist nicht dazu ausersehen, leiblich wiederaufzuerstehen. Er wurde in Atome zerblasen. Stellt euch vor, Archäologen würden entdecken, daß Christus in Wirklichkeit enthauptet und nicht gekreuzigt wurde? Stellt euch vor, es stellte sich heraus, daß Mohammed nie einen Fuß nach Mekka gesetzt habe? Wir haben uns in unserer eigenen mythologischen Falle gefangen – wenn es sich bei dieser Person wirklich um Lazarus handelt. Das könnte uns vernichten. Das könnte alles zerstören, was wir aufgebaut haben.“

 
3
     
     
     
    Dreißig Kilometer von der wunderlichen alten Stadt Santa Fe entfernt erhoben sich die ständig erweiterten Labors des Noel-Vorst-Zentrums für Biologische Forschungen innerhalb eines Kreises dunkler Berge. Hier verwandelten Chirurgen lebende Wesen in fremdartige Kreaturen. Hier waren Biotechniker emsig damit beschäftigt, Gene zu manipulieren. Hier unterwarfen sich ganze Esperfamilien endlosen Experimentreihen. Und hier entnahmen Bioniker gnadenlos ihren Testpersonen Gewebeproben, um diese einem neuen Existenzbereich zuzuführen. Das Zentrum war eine gewaltige Maschine, in der es unermüdlich vor Effektivität brodelte.
    Unfaßbar alte Männer bildeten das Herz der Maschine.
    Das Herzstück der Bewegung war ein kuppelartiges Gebäude ganz in der Nähe des Großen Versammlungsraums. Hier lebte Noel Vorst, wenn er sich in Santa Fe aufhielt. Vorst, der Gründer der Bewegung, hatte bereits mehr als fünf Vierteljahrhunderte Lebenszeit hinter sich gebracht. Und es gab auch solche, die behaupteten, Vorst sei in Wahrheit schon gestorben, und der Vorst, der gelegentlich in den Kirchen der Bruderschaft auftauchte, sei ein Roboter, ein bloßes Abbild. Vorst selber amüsierte sich über solche Vorstellungen. Zu dieser Zeit bestand sein Körper aus mehr künstlichen Teilen denn aus eigenem Fleisch, aber unzweifelhaft lebte er und hatte noch überhaupt keine Lust zu sterben. Falls er wirklich vorgehabt hätte zu sterben, hätte er sich niemals der Mühe unterzogen, die Bruderschaft der Immanenten Strahlung zu gründen. Die ersten Jahre waren sehr hart gewesen. Es war nicht angenehm, wie damals als Spinner verhöhnt zu werden.
    Unter jenen, die Vorst damals einen Spinner genannt hatten, war auch sein jetziger Stellvertreter gewesen: Hemisphärenkoordinator Reynolds Kirby. Kirby war zu einer Zeit zu den Vorstern gestoßen, als er unter starkem persönlichen Streß gestanden und nach einem Zufluchtsort vor seinem Lebenssturm gesucht hatte. Das war im Jahr 2077 gewesen. Heute, fünfundsiebzig Jahre später, klammerte er sich immer noch an diesen Zufluchtsort. Mittlerweile war er wirklich Vorsts Alter ego geworden, der Gehilfe von Vorsts Seele.
    Allerdings war der Gründer bei dieser Lazarus-Entdeckung nicht eben aufrichtig zu Kirby gewesen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte Vorst die Details über ein Projekt ganz für sich behalten. Es gab eben Dinge, die man nicht mit anderen teilen konnte. Zum Beispiel dann, wenn diese Dinge David Lazarus betrafen. Vorst hielt sie in pectore, und es war ihm unmöglich, den Stellvertreter hier in sein Vertrauen einzubeziehen.
    Der Gründer saß bequem in einem Webschaumnetz, das ihn von dem Großteil der Schwerkraft befreite. Vor Zeiten war er ein kräftiger, dynamischer Riese von einem Mann gewesen; und wenn es darauf ankam, konnte er auf diese Eigenschaften immer noch zurückgreifen. Aber er zog den Komfort vor. Er mußte mit seinen Kräften haushalten. Sein Plan war bisher zu seiner Zufriedenheit verlaufen, aber er wußte auch, daß ohne seine Anwesenheit und persönliche Führung alles im Sande verlaufen könnte.
    Vor ihm saß Kirby, ein schmallippiger, ergrauter Mann, dessen Körper ebenso wie der Vorsts ein Sammelsurium von künstlichen Organen darstellte. Die Labors des Vorst-Zentrums waren nicht länger auf solche groben Methoden angewiesen, um einem Menschen die Jugend zu erhalten. In der letzten Generation war es ihnen gelungen, den Körper zu selbständiger Regeneration zu stimulieren – die Wiedergeburt aus sich selbst

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