Öffnet den Himmel
Vision von der Zukunft gehabt, die ihn am Boden zerstörte und gleichzeitig wieder aufrichtete. Und er wußte, daß diese Erfahrung nur die Spur des Erlebnisbereichs gewesen war, den die richtigen Esper wahrnahmen.
Die ausbrennende Esperin war eine junge Asiatin; wie es schien, erwies sich diese Kombination als fatal. Gut achtzig Prozent aller ausbrennenden Esper gehörten der mongolischen Rasse an und waren meist heranwachsende Mädchen. Solche Personen wurden nie mehr erwachsen. Diese Esperin hier konnte höchstens sechzehn sein, obwohl sich das nur schwer abschätzen ließ; sie hätte zwischen zwölf und fünfundzwanzig sein können. Das Mädchen lag auf der Liege, und sein Körper bäumte sich ständig auf; es war fast nackt und verkrallte sich in seinem Todeskampf in die Laken. Schweißperlen glänzten auf der gelbbraunen Haut. Der Rücken der Esperin bäumte sich auf, sie verzog das Gesicht und fiel auf das Bett zurück. Die verrutschte Robe zeigte ihre Brüste; sie sahen aus wie die eines Kindes.
Blaugekleidete Vorster flankierten die Liege. Die Anwesenheit des Gründers versetzte sie in höchste Aufregung. Vorst sagte: „In einer Stunde ist es wohl mit ihr vorbei, nicht wahr?“
Jemand nickte. Vorst trat näher heran. Er packte den Arm des Mädchens mit seinen dürren Fingern. Ein anderer Esper trat hinzu, legte eine Hand auf Vorst und die andere auf das Mädchen; er hatte so die vom Gründer gewünschte Verbindung geschaffen. Plötzlich stand Vorst in geistigem Kontakt mit dem Mädchen.
Ihr Verstand stand in Flammen. Sie stieß vor und zurück in der Zeit, und Vorst trieb mit ihr, wurde wie ein Anhalter von ihr mitgezerrt. Licht flammte in seinem Verstand auf, als würde ein Blitz in ihm tanzen. Das Gestern und das Morgen wurden eins. Sein magerer Körper schwankte wie ein Riedrohr im Wind. Bilder tanzten wie Dämonen in seinem Kopf, schattengleiche Figuren aus der Vergangenheit, dunkle Vorboten des Morgens. Sag es mir, sag es mir, sag es mir, flehte Vorst in Gedanken. Zeig mir den Weg! Er stand an der Schwelle des Wissens. Siebzig Jahre lang war er Stück für Stück auf diesem Weg gegangen, indem er sich der verzerrten und gepeinigten Körper dieser ausbrennenden Esper als Brücken zum Morgen bediente; so zog er sich selbst Stück für Stück an der Weltlinie seines großen Plans vorwärts.
Laß mich sehen, bat Vorst.
Die Gestalt des David Lazarus beherrschte breitbeinig das Bild der Zukunft, genau wie Vorst es vorhergesehen hatte. Wie ein Koloß stand Lazarus da, war durch eine unerwartete Wiederbelebung auferstanden und breitete die Arme aus für alle Brüder in den grünen Roben seiner Häresie. Vorst schauderte. Das Bild verwischte sich und verschwand. Die runzlige Hand des Gründers lockerte ihren Griff.
„Sie ist tot“, sagte Vorst. „Bringt mich fort.“
4
Ein alter Mann hatte eine Anordnung gegeben, ein anderer gehorchte, und ein dritter wurde um einen Gefallen gebeten. Nat Weiner, Mitglied des marsianischen Präsidialrates, war gewillt, seinem alten Freund Reynolds Kirby gefällig zu sein. Die beiden kannten sich schon seit mehr Jahren, als sie bereit waren zuzugeben.
Weiner war wie fast alle Marsianer weder Vorster noch Harmonist. Marsianer konnten mit Glaubenskulten wenig anfangen; sie steuerten einen neutralen Kurs, der nichtsdestoweniger seinen Profit abwarf. Mittlerweile waren die Vorster dabei, auf der Erde eine weltweite Regierung einzurichten; und ihr Einfluß war auch auf diesem Planeten deutlich spürbar. So war es von Seiten des Mars schlicht Klugheit, mit dem Hauptquartier der Vorster in ständiger guter Verbindung zu bleiben, denn der Mars wickelte einen Großteil seines Handels mit der Erde ab. Bei der Venus, der Welt der umgewandelten Menschen, sah die Sachlage ganz anders aus. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, was einem von diesem Planeten noch alles ins Haus stand; außer, daß die Harmonisten es geschafft hatten, nach den letzten dreißig bis vierzig Jahren dort ziemlich fest im Sattel zu sitzen, und eines Tages sogar als Bevollmächtigte der Venus auftreten konnten, so wie die Vorster für die Erde sprachen. Weiner war im Verlauf seiner Dienstzeit auch marsianischer Botschafter auf der Venus gewesen; daher glaubte er, die blauhäutigen Bewohner recht gut verstehen zu können. Und er mochte sie nicht besonders. Aber er hegte schon lange keine extremen Gefühle mehr; diese Eigenschaft hatte er mit seinem hundertsten Geburtstag abgelegt.
Zu
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