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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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seiner Hormone. Auf dem Bildschirm wurde die geöffnete Kammer fast vollständig von den Instrumenten verborgen, die in die Kammer eingetaucht waren, um sich mit dem Schläfer zu befassen.
    Plötzlich regte sich etwas schwach in der Kammer. Lazarus bewegte sich! Der Märtyrer war zurückgekehrt!
    „Zeit für meinen großen Auftritt“, murmelte Vorst.
    Alles war schon dafür vorbereitet. Ein glitzernder Tunnel transportierte ihn rasch zum Operationssaal. Kirby folgte ihm nicht. Der Rollstuhl des Gründers rollte gelassen in den Raum, gerade als die Gestalt des David Lazarus sich von sechzig Jahren Schlaf zu befreien und in eine sitzende Stellung zu bringen versuchte.
    Eine zitternde Hand streckte sich aus. Eine heisere Stimme bemühte sich um eine klare Aussprache.
    „V-V-Vorst!“ keuchte Lazarus.
    Der Gründer lächelte gütig und hob seinen runzeligen Arm zu Gruß und Segen. Delikaterweise betätigte in diesem Moment eine unbemerkte Hand einen Kontrollschalter, und das Blaue Feuer erleuchtete die Wände des Saals, um dem Ganzen die rechte theatralische Stimmung zu verleihen. Christopher Mondschein, dessen verändertes Gesicht hinter der Atemmaske unbeweglich blieb, ballte wütend die Fäuste, als das Blaue Feuer ihn umhüllte.
    Vorst sagte: „Und da ist das Licht, wie es vor und hinter unserem Horizont liegt; und dafür wollen wir dankbar sein.
    Und da ist die Hitze, vor der wir uns bescheiden.
    Und da ist die Energie, für deren Empfang wir uns gesegnet fühlen wollen …
    Willkommen im Leben, David Lazarus. In der Kraft des Spektrums, der Quanten und des heiligen Angstöm, Friede sei mit dir, und vergib denen, die dir Übles antaten!“
    Lazarus stand auf. Seine Hände fanden den Rand der Kammer und hielten sich dort fest. Unentzifferbare Gefühle zuckten über sein Gesicht.
    Er murmelte: „Ich … habe geschlafen.“
    „Sechzig Jahre, David. Und die, die mich beschimpfen und dir folgen, sind zu einer starken Bewegung herangewachsen. Siehst du? Siehst du die grünen Roben? Die Venus gehört dir. Du befiehlst über ein mächtiges Heer. Geh zu ihnen, David. Erteile ihnen Rat. Ich habe dich für sie wiederhergestellt. Du bist mein Geschenk an deine Gefolgschaft. Und er, der gestorben war, stand wieder auf … Befreit ihn von den Kabeln und laßt ihn in Frieden ziehen.“
    Lazarus gab keine Antwort. Mondschein stand mit offenem Mund da und stützte sich schwer auf den Venusier an seiner Seite. Kirby, der auf dem Bildschirm alles beobachtete, verspürte ein Anklingen von Ehrfurcht, die einen Moment lang all seinen Skeptizismus verdrängte. Und wie durch ein Wunder hielt auch das Geschwätz des Fernseh-Kommentators einen Augenblick lang inne.
    Das Glühen des Blauen Feuers überströmte alles und stieg höher und höher und höher, wie die Flammen der Dämmerung, die bis nach Walhalla reichen. Und im Zentrum stand Noel Vorst, der Gründer, der erste Unsterbliche; klar und strahlend stand sein alter Körper aufrecht da, die Augen glühten, und die Hände waren zu dem Mann ausgestreckt, der vorher tot gewesen war. Jetzt fehlte nur noch ein zehntausendköpfiger Chor, der die Hymne der Wellenlängen sang, während eine kosmische Orgel das Lied der Freude anschlug.

 
8
     
     
     
    Und Lazarus lebte, wandelte wieder unter den Seinen und redete mit ihnen.
    Und Lazarus wunderte sich sehr.
    Er hatte geschlafen – nur einen Moment lang, nur für die Dauer eines Lidaufschlags. Jetzt umringten ihn merkwürdige, blauhäutige Gestalten – Venusier, die sich wie Dämonen gekleidet hatten, um sich vor der giftigen irdischen Luft zu schützen – und priesen ihn als ihren Propheten. Und im ganzen Umkreis reckte sich Vorsts Metropolis gen Himmel; beeindruckende Gebäude, die von der gegenwärtigen Macht der Bruderschaft der Immanenten Strahlung kündeten.
    Der pausbäckige Venusier – hieß er nicht Mondschein? – drückte Lazarus ein Buch in die Hände. „Das Buch von Lazarus“, sagte er. „Das Verzeichnis Ihres Lebens und Ihrer Werke.“
    „Und meines Todes?“
    „Ja, und Ihres Todes.“
    „Da werden Sie bald eine neue, überarbeitete Auflage benötigen“, sagte Lazarus. Er lächelte, aber er war der einzige, der das lustig fand.
    Lazarus fühlte sich kräftig. Wie hatten die Muskeln es nur geschafft, in seinem langen Schlaf nicht zu verkümmern? Wie war es möglich, daß er aufstehen und sich unter den Menschen bewegen konnte, daß seine Stimmbänder gehorchten und sein Körper den Anstrengungen des Lebens

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