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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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eingetreten, während er vor dem Blauen Feuer eines Kobalt-Reaktors in New York kniete. Als frisch Konvertierter hatte er sich wenig um die Politik der höheren Stellen in der Bruderschaft gekümmert. Der Kult hatte auch so eine ganze Menge zu bieten: Stabilität, die Hoffnung auf ein langes Leben und den Traum, die Sterne zu erreichen, indem die Fähigkeiten der Esper zusammengekoppelt wurden. Kirby interessierte sich sehr dafür, daß die Menschen eines Tages die anderen Sternsysteme bereisen würden, aber er ging nicht so weit, sein ganzes Leben auf dieses Ziel auszurichten. Auch die Möglichkeit, ewig zu leben – immerhin der Magnet für Millionen von Vorster-Konvertiten –, wollte ihm nicht als übermäßig interessant erscheinen.
    Was ihn im Alter von vierzig Jahren wirklich in die Bewegung geführt hatte, war im Grunde die Disziplin und die Ordnung, die sie anzubieten hatte. Seinem damaligen Leben hatte es an Struktur gemangelt, und die Welt um ihn herum war in einem dermaßen chaotischen Zustand, daß Kirby von einem synthetischen Paradies ins nächste floh. Und da tauchte Vorst auf und bot einen geschmeidigen neuen Glauben an, von dem Kirby sich gefangen fühlte. Die ersten Monate war er es zufrieden gewesen, ein gewöhnlicher Gläubiger zu sein. Bald darauf war er Altardiener geworden. Und dann, als sein natürliches Organisationstalent nicht mehr zu übersehen war, fiel er rasch von einem Posten zum nächsten die hierarchische Treppe hinauf, bis er im Alter von achtzig Jahren Vorsts rechte Hand geworden war; jetzt interessierte er sich auch weit mehr für seine persönliche Lebensverlängerung.
    Nach der offiziellen Version hatte David Lazarus’ Märtyrertod im Jahr 2090 stattgefunden. Damals war Kirby bereits dreizehn Jahre in der Vorster-Bewegung gewesen und mittlerweile Distrikt-Inspektor geworden, der Tausende von Brüdern unter sich hatte.
    Soweit er sich erinnern konnte, hatte er vor dem Jahr 2090 nie von Lazarus gehört.
    Ein paar Jahre später hatten die Harmonisten, die Häretiker-Bewegung, eine beachtliche Größe erreicht; sie kleideten sich in grüne Roben und verhöhnten auch auf andere Weise die weltliche und machtpolitische Orientierung der Vorster. Sie behaupteten, die Gefolgsleute des ermordeten David Lazarus zu sein. Aber selbst zu jener Zeit hatten sie nicht sonderlich viel von ihrem Propheten erzählt, grübelte Kirby. Erst später, als die Harmonisten-Bewegung erstarkte und sie Vorst die Venus wegnahm, legten diese Leute großes Gewicht auf den Lazarus-Mythos und führten ihn ständig im Munde. Wie kommt es, dachte Kirby, daß ich, der ich ein Zeitgenosse von Lazarus war, niemals vorher seinen Namen hörte?
    Er ging zum Archivgebäude.
    Es war ein milchigweißes, geodätisch brillantes Gebäude, das mit einem ineinandergreifenden Material bedeckt war, welches ihm ein Gefüge hart wie Haifischhaut gab. Kirby lief durch einen mit Kacheln ausgelegten Gang, wies sich vor den Wachrobotern aus und trat durch eine Schleusentür. Dann befand er sich in dem olivgrünen Raum, wo die Kassetten aufbewahrt wurden. Kirby aktivierte den Knopf mit dem Fragezeichen und brachte seinen Wunsch vor.
     
    LAZARUS, DAVID
     
    Trommeln dröhnten im Innern der Erde. Mikrofilme kamen nach oben und drängten sich zum Kuß der Bildschirme, um dann Bilder zu schicken, die vor dem wartenden Kirby abflossen. Gelbe Leuchtschrift erschien auf dem Leseschirm. Ein Steckbrief, kurz und kärglich.
     
    GEBOREN 13. 3.2051
    AUSBILDUNG Grundschule, höhere Schule in Chikago, Studium ’72 in Harvard, Dr. phil. (Anthropologie) ’75 in Harvard.
    KÖRPERMASSE (1. 1. ’88) Größe: 187 cm, Gewicht: 179 Pfund, Augenfarbe: dunkel, Haarfarbe: dunkel, besondere Kennzeichen: keine
    AUFNAHME 11. 4. ’71 Cambridge-Gemeinde; Altardiener 17. 3. ’73
     
    Danach folgte eine Liste der aufeinanderfolgenden Stufen, auf denen Lazarus in der Hierarchie aufgestiegen war. Der Steckbrief endete mit dem knappen Eintrag:
     
    TOD 9. 2. ’90
     
    Das war alles. Ein dürrer, allzu spärlicher Lebenslauf; ohne Erläuterungen, ohne beigefügte Beurteilungen, wie sie, und das wußte Kirby, in seinem eigenen Steckbrief zu finden waren – und kein Hinweis auf Lazarus’ Auseinandersetzungen mit Vorst. Nichts. Kirby dachte unglücklich, daß so ein Lebenslauf in fünf Minuten heruntergetippt und ins Archiv gesteckt werden konnte, und zwar … zu jeder Zeit.
    Er stöberte weiter in der Datenbank herum und hoffte, noch irgendwelche zusätzlichen

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