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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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egal, welche Mängel der Boden aufweisen mochte! Es war ein verwunschener Ort. Wenn in späteren Jahren die jungen Leute in diesem Hain ihre Spiele und Wettkämpfe abhielten, wurden Bunny und Rachel beim Zuschauen stets von einem geheimen Schauder ergriffen. Waren nicht auch in den Eichenhainen der Antike Mysterien gefeiert, Gelübde abgelegt und heilige Mächte angerufen worden?
    3
    Am nächsten Morgen suchten sie sich einen Friedensrichter, brachten die Besichtigung der Farm zum Abschluss, fuhren zurück nach Angel City und trafen Vorkehrungen für eine erste Anzahlung. Danach gestatteten sie sich das prickelnde Vergnügen, allen Freunden zu berichten, dass sie geheiratet hatten – einzig und allein im Interesse des College natürlich, und um Skandale in der bürgerlichen Presse zu vermeiden!
    Bunny besuchte auch Ruth und erzählte es ihr, und merkwürdig, es machte ihn verlegen. Bertie und Vee hatten ihm den Floh ins Ohr gesetzt, Ruth sei seit zehn Jahren in ihn verliebt, auch Rachel war davon überzeugt gewesen, und bisher hatten diese Frauen mit ihrer gegenseitigen Beurteilung immer recht gehabt! Außerdem hatte er Rachel gegenüber eins nicht erwähnt: Auf dem Rückweg von Paris hatte er eine Weile geschwankt, ob er Rachel oder ob er Ruth bitten sollte, seine Frau zu werden. Er empfand eine tiefe Zuneigung zu Ruth, dieselbe stille, friedliche Empfindung, die sie auch selbst bekundete. Aber der Haken an der Sache war Paul. Ruth fühlte sich wie mit stählernen Ketten an ihren Bruder gebunden und damit auch an die kommunistische Bewegung, und so hatte Bunny ein weiteres Mal mit diesem Problem zu ringen.
    Früher oder später musste er sich entscheiden und sich auf die eine oder andere Seite schlagen. Wollte er den Kapitalismus durch Wahlen oder durch «Protestaktionen» zu Fall bringen? So viel war Bunny klar geworden – die eigentliche Entscheidung lag bei der kapitalistischen Klasse. Sie bereiteten sich auf den nächsten Krieg vor, und das bedeutete Bolschewismus in allen gegnerischen Nationen, wenn nicht zu Beginn des Krieges, so doch an dessen Ende. Die Sozialisten würden versuchen, diesen Krieg zu verhindern, und wenn es ihnen nicht gelang, wurde die Angelegenheit durch die Dritte Internationale in Pauls Sinn erledigt. Doch vorläufig fühlte sich Bunny seinem Wesen nach zu den Sozialisten hingezogen. Er konnte nicht zur Gewalt aufrufen. Wenn es schon dazu kommen musste, sollte die andere Seite damit anfangen!
    Was immer Ruth bei der Nachricht von seiner Heirat gedacht oder gefühlt haben mochte, sie zeigte nichts anderes als Freude. Sie habe damit gerechnet, sagte sie; Rachel sei ein liebes Mädchen; sie denke wie er, und das sei die Hauptsache. Dann erzählte sie, dass Paul morgen heimkommen und auf einer Versammlung sprechen werde – seine Anhänger hätten ihn unter großen diplomatischen Anstrengungen ins Gewerkschaftshaus gebracht, dort habe er nun die Gelegenheit, den Arbeitern zu schildern, was er in Russland erlebt habe. Ob Bunny und Rachel nicht auch kommen wollten?
    Bunny sagte zu.
    Es war der Sonntag vor dem Wahltag, der Abschluss eines langen Wahlkampfs. Die Arbeiter hatten sich unablässig anhören müssen, wie man um ihre Stimmen warb, aber dies hier war etwas anderes, war wichtiger als alle Wahlkampfthemen. Wie verfeindet die Führer der Arbeiterschaft auch sein mochten, die Basis konnte sich dem verderblichen Einfluss dieses Wunders auf der anderen Seite des Erdballs nicht entziehen: ein riesiges Reich, in dem die Arbeiter regierten und sich eigene Gesetze und eine eigene Kultur schufen. Paul kam direkt von dort, seine Worte waren lebendig, und er führte ihnen alles vor Augen, die rote Armee, die roten Schulen, die roten Zeitungen, den weißen Terror und den Widerstand gegen die kapitalistische Belagerung an einer zehntausend Meilen langen Front.
    Oh, wie tobte die kapitalistische Presse am darauffolgenden Morgen! Sie berichteten gar nicht über die Versammlung, sondern veröffentlichten nur Proteste und wüteten in Leitartikeln. LaFollettes «Rote» seien schon schlimm genug, aber dies sei ein unerträglicher Gräuel: Ein erklärter Agent Moskaus, der aus Frankreich ausgewiesen worden war, hatte in Angel City eine Rede halten und die Gewerkschaft zu rotem Tumult und Aufruhr anstacheln dürfen! Wozu hatten wir denn eine Polizei? Wo blieben unsere patriotischen Gesellschaften, wo die American Legion und andere Stoßtrupps für Recht und Ordnung?
    Am nächsten Morgen fuhr Bunny zu Ruth,

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