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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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um sich mit Paul zu treffen und mit ihm über das geplante College zu reden. Ruth sagte, Paul sei zum Hafen hinuntergegangen; er wolle sehen, ob er nicht vor den Hafenarbeitern reden könne. Während Bunny im Ausland gewesen sei, hätten diese Männer einen großen Streik abgehalten und eine gründliche Lektion in kapitalistischer Regierungsgewalt erteilt bekommen. Sechshundert von ihnen habe man «wegen Marschierens und Singens» von der Straße weg verhaftet, in Massenzellen gesteckt und die Belüftung ausgeschaltet, um sie zum Schweigen zu bringen. Ein Dutzend Anführer seien wegen «ungesetzlicher Zusammenschlüsse» zu zehn oder zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt worden, und so hätte der Rest sicher ein offenes Ohr für die kommunistische Grundüberzeugung, dass die Arbeiter den kapitalistischen Staat in die Knie zwingen mussten. Heute Abend finde in der IWW -Halle am Hafen eine Veranstaltung mit Musik und Erfrischungen statt, und Paul halte dies für eine gute Gelegenheit, die Leiter der Organisation kennenzulernen. Bunny sagte, er und Rachel seien ohnehin unterwegs nach Beach City, sie könnten also vorbeischauen und Paul anschließend nach Hause mitnehmen.
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    Bunny hatte dem Drängen seiner Schwester nachgegeben. Er werde doch wenigstens so viel Anstand besitzen, der Erbengemeinschaft in einer einzigen Angelegenheit beizuspringen und einen Blick in Vernon Roscoes Berichte über das Ölfeld am Prospect Hill zu werfen! Verne behaupte nämlich, dass mehr als die Hälfte aller Bohrlöcher von der Förderung genommen sei, und Bertie witterte neue Winkelzüge, um sie auszuplündern. Sie selbst könne ein von der Förderung genommenes Bohrloch nicht von einem Hühnerstall unterscheiden, Bunny aber schon, deshalb solle er hinfahren, ein bisschen herumschnüffeln und herausbekommen, was andere Ölleute über das Feld und seine Aussichten dächten. Bunny nahm Rachel mit, denn natürlich kam sie jetzt, frisch verheiratet, mit ihrem Mann überallhin mit. Sie hatten einen der älteren Ypsels gebeten, die Redaktion zu übernehmen – Rachel war jetzt nur noch Ihro Gnaden die geschäftsführende Herausgeberin. Und wieder einmal chauffierte Bunny mit nur einer Hand, das Auto neigte sich seitwärts, und wenn er schnell fuhr, wurde Rachel nervös, denn auf solche Glückseligkeit wie die ihre wurden die Götter leicht neidisch.
    Rachel hatte noch nie ein Ölfeld aus der Nähe gesehen. Also führte Bunny sie zur «Fundbohrung» und erzählte ihr, wie Mr Culver die Trommelfelle geplatzt waren, als er versucht hatte, das Loch mit seinem Kopf zu stopfen. Er zeigte ihr Dads erstes Bohrloch, bei dem Bunny mitgeholfen hatte, den Spülungsumlauf in Gang zu halten. Das war der Anfang von Dads riesigem Vermögen gewesen, er und vielleicht zwanzig andere waren reich geworden, und im Gegenzug gab es in Beach City Tausende von Menschen, deren Häuser mit Hypotheken belastet waren, eine Folge der Verluste, die ihnen aus dem Kauf von «Parzellen» entstanden waren. So nämlich war am Prospect Hill das meiste Geld gemacht worden: Man hatte Papier verkauft statt Öl. Paul hatte recht, man hatte mehr Geld in den Boden hineingesteckt als herausgeholt. Hier hatte es ein reiches Ölvorkommen gegeben, das bei kluger Förderung dreißig Jahre ausgereicht hätte, doch nun hing das ganze Ölfeld «an der Pumpe», und Hunderte von Bohrlöchern förderten so wenig, dass sich der Pumpbetrieb nicht mehr lohnte. Ein Sechstel des Öls war eingebracht worden, fünf Sechsel hatte man vertan!
    Das also war der segensreiche «freie Wettbewerb», von dem man im Wirtschaftsunterricht gelernt hatte, man müsse ihn wertschätzen und würdigen! Hinzu kamen die entsetzlichen Statistiken, denen zufolge von den Tausenden Männern, die hier in den wenigen Betriebsjahren gearbeitet hatten, dreiundsiebzig Prozent getötet oder schwer verletzt worden waren. Die kapitalistische Wirtschaft war buchstäblich ein ständiger Weltkrieg, nur schenkten die Zeitungen dem keinerlei Beachtung.
    Bunny inspizierte die Ross-Bohrungen; herumschnüffeln konnte er nicht, weil einige alte Arbeiter ihn erkannten und begrüßten. Er sprach mit mehreren Männern, und deren Einschätzungen lauteten ganz ähnlich wie die von Verne. Als er und Rachel gegen Abend aufbrachen, kamen sie an einem schmuddeligen, verwahrlosten Bungalow vorbei, der schwarz war vom Öl und grau vom Staub; im Hinterhof stand ein Lagertank, auf der Nachbarparzelle, keine zehn Fuß entfernt, ein Bohrturm und auf der

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