Öl-Connection
sucht, kann in ihr umkommen. Man sollte das vorher wissen.
Tag und Nacht saß Saffa an Heßbachs Bett, streichelte ihn, hielt seine Hand, wischte ihm den Schweiß vom Körper, fütterte und wusch ihn. Dr. Haydas Befürchtungen bestätigten sich: Heßbach blieb blind. Der Sehnerv war durch den Schläfenschuß zerstört worden.
Nach drei Wochen saß Dr. Hayda an Heßbachs Bett und hielt die Zeit für gekommen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen.
»Morgen werden Sie nach Lomé geflogen und dann weiter nach Deutschland«, sagte er.
»Was soll ich in Deutschland?« erwiderte Heßbach. Seine Stimme hatte wieder Kraft und Willen. »Ich bleibe bei Saffa.«
»Der Schuß hat ihren Sehnerv zerstört.«
»Ich … ich bin blind? Für immer?« Heßbach holte tief Atem.
»Ob für immer, das kann ich nicht sagen. Ich bin kein Augenchirurg. Deshalb sollten Sie auch zurück nach Europa. Die besten Kliniken hat Ihr Schwiegervater alarmiert.«
»Mein … Schwiegervater?«
»Kapitän Bertram. Wir haben natürlich Ihre Braut unterrichtet.«
»Natürlich …« Heßbach tastete nach Saffas Hand. Sie drückte seine Hand und küßte ihn. »Du bist meine Frau«, sagte Heßbach, aber seine Stimme hatte ihren Halt verloren. »Du allein. Ich bleibe bei dir, Saffa.«
»Dann bleibst du für immer blind. Du mußt zurück nach Europa. Nur dort kann man dir vielleicht helfen.«
»Vielleicht!« Heßbach richtete sich auf. »Ich will bei dir bleiben, auch wenn ich blind bin. Saffa, ich liebe nur dich …«
»Trotzdem sollten Sie die Chancen, die man Ihnen bietet, nutzen«, warf Dr. Hayda ein. »Europas beste Augenklinik, das Augenhospital in Turin, wartet auf Sie. Sie können dann immer noch zurück nach Togo.«
Heßbach ließ sich in die Kissen zurücksinken. Luise, dachte er. Der alte Bertram, Turin, vielleicht ein neues Augenlicht … wenn er erst einmal in Europa war, dann gab es kein Zurück mehr. Das Leben würde seinen Lauf nehmen, und zurück blieb Saffa wie eine Märchengestalt.
»Ich will nicht!« sagte er laut. »Ich will blind bleiben!«
Dr. Hayda ging darauf nicht ein. »Morgen früh um neun fliegt die Maschine nach Lomé. Es sind zwei Plätze reserviert – einer für Sie, einer für Ihren Begleiter – das bin ich!«
»Ich weigere mich!« schrie Heßbach. Er wollte sich hochstemmen, aber Saffas Arme drückten ihn zurück.
»Du kannst nicht hierbleiben«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Lothar, mein kleiner Gott, ich bitte dich …«
»Das sagst du, Saffa?«
»Du sollst gesund werden, das ist wichtiger als alles andere. Ich will, daß du fliegst. Hörst du, ich will es! Du darfst nicht für immer blind bleiben.«
»Saffa …« Er tastete nach ihren Händen. »Ich komme wieder, wenn ich sehen kann. Ich verspreche, ich schwöre es dir: Ich komme zurück und werde dich sehen …«
»Ich warte auf dich.« Sie beugte sich über ihn und streichelte sein eingefallenes Gesicht. Ihre Tränen konnte er ja nicht sehen, und sie wischte sie immer wieder weg, damit sie nicht auf sein Gesicht fielen und sie verrieten. »Lothar, ich werde nie aufhören, dich zu lieben.«
Am nächsten Morgen führte Dr. Hayda den noch sehr schwachen Heßbach zum Flugzeug. Noch einmal küßten sich Saffa und Heßbach so innig wie nie, und er sagte: »Auf Wiedersehen, mein Einziges. Auf Wiedersehen!«
Und sie antwortete: »Auf Wiedersehen, mein kleiner Gott. Werde gesund, dann bin auch ich glücklich.«
Und dann stand sie neben dem Flugzeug, als man ihn über die Treppe hinaufführte, und blieb auf dem Rollfeld, bis die Maschine an ihr vorbeidonnerte und abhob, hinein in den wolkenlosen, blauen Himmel. Saffa winkte ihm nach, bis die Maschine als Punkt im Blau verschwand. Erst dann ging sie langsam zurück und wußte, daß es ein Abschied für immer gewesen war, daß er nie wiederkäme und sie in seine Arme schließen würde. Aber sie weinte nicht, sondern sagte zu Koto:
»Vater, jetzt bin ich eine Witwe. Aber ich trage keine Trauer, denn auch wenn Lothar weit weg ist – er ist immer bei mir, tief in meinem Inneren. Er ist für mich unsterblich, solange ich lebe. Laß uns gehen, Vater, das Märchen ist zu Ende.«
Und Koto umarmte sie. »Meine Tochter, ich bin stolz auf dich.«
Ein halbes Jahr später saß Heßbach in dem kleinen Gärtchen von Bertrams Haus und hörte im Fernsehen die Nachrichten. Er trug keinen Verband mehr um die Augen. Auch in Turin hatte man ihm ehrlich gesagt: »Herr Heßbach, es ist aussichtslos. Sie werden blind bleiben. Sie
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