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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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ihn zu überreden. Wollte
     er sich denn gar nicht das Haus ansehen, in dem der Mörder
     seines Vaters aufgewachsen war?
    Es war wie ein Fieber, mit dem Gerlof sie angesteckt hatte –
     Julia konnte nicht aufhören, an Nils Kant zu denken.

GÖTEBORG, AUGUST 1945
    D er erste Sommer nach sechs langen Kriegsjahren ist hell,
     warm und erfüllt vom Glauben an eine bessere Zukunft. In
     Göteborg werden ganze Wohnviertel neu entworfen und alte,
     heruntergekommene Mietskasernen abgerissen. Nils Kant
     sieht überall Bagger, wenn er durch die Straßen der Stadt
     läuft.
    FRIEDEN AUF ERDEN, hat Nils Anfang August auf gelben
     Plakaten an den Häuserwänden im Zentrum gelesen. Einige
     Tage später kauft er sich eine Ausgabe der Göteborgs-Posten
     und liest die Überschrift ATOMBOMBE – DIE NEUE WELTSENSATION auf der Titelseite. Japan hat bedingungslos kapituliert; die neuartige Bombe der Amerikaner hat den Krieg
     beendet. Das muss eine gewaltige Bombe gewesen sein, die so
     einen Erfolg haben kann, hört Nils die Leute in der Straßenbahn sagen, doch als er ein Foto des gigantischen Atompilzes
     sieht, der in den Himmel wächst, muss er aus unerfindlichen
     Gründen an die Schmeißfliege denken, die auf der Hand des
     toten Soldaten gesessen hat.
    Für Nils ist noch kein Frieden geschlossen – er ist nach wie
     vor ein gejagter Mann.
    Es ist schon spät am Nachmittag. Nils steht unter einem
     Baum in einem kleinen Park und beobachtet einen jungen
     Mann in einem Anzug, der sich ihm mit schnellen Schritten
     nähert.
    Nils trägt einen dunklen Anzug, den er gebraucht in einem
     Laden gekauft hat, er ist weder nagelneu noch besonders
     verschlissen. Auf seinem Kopf sitzt ein Hut, den er tief ins
     Gesicht gezogen hat. Er hat sich einen Bart zugelegt, einen
     dichten, dunklen Bart, den er jeden zweiten Morgen in seiner kleinen, möblierten Junggesellenkammer im Stadtteil
     Majorna vor dem Spiegel stutzt.
    Soweit er weiß, existiert von ihm nur eine einzige Fotografie, auf der er als Sechs- oder Siebenjähriger zu sehen ist: ein
     Klassenfoto, auf dem Nils in der letzten Reihe steht, die Augen von seiner Mütze verdeckt. Die Aufnahme ist verschwommen, und Nils weiß nicht einmal, ob die Polizei sie benutzen
     würde, aber er möchte auf jeden Fall so aussehen, dass ihn
     niemand erkennt. Er sieht arm, aber nicht kriminell aus. Zumindest hofft er das. Auf seiner Flucht von Öland ist es das
     Wichtigste gewesen, sich einzufügen, am besten unsichtbar
     zu sein, nicht aufzufallen.
    Nils ist es schwergefallen, das Wasser an der Ostseeküste hinter sich zu lassen, wo er seine Insel zwischen den Bäumen
     hindurchschimmern sehen konnte. Er hat sich länger in der
     Nähe des Sägewerks aufgehalten, doch als er am dritten Morgen einen Streifenwagen neben dem Büro parken gesehen
     hat, ist er aufgebrochen und hat sich auf den Weg ins Landesinnere gemacht.
    Hinein in den dichten Fichtenwald.
    Nach den vielen Jahren in der Alvar ist er lange Wanderungen gewohnt und kann sich mithilfe der Sonne und seiner Intuition hervorragend orientieren.
    Den ganzen Monat Juli ist er quer durchs Land gelaufen
     und einer von vielen mittellosen jungen Männern gewesen,
     die sich nach dem Krieg auf den Weg in größere Städte und
     zu neuen Chancen gemacht haben. Nur wenige Menschen
     haben ihn zu Gesicht bekommen. Er hat Straßen vermieden,ist nur durch den Wald gegangen, hat Beeren gegessen und
     Quellwasser getrunken und unter Bäumen oder in einer
     Scheune geschlafen, wenn es geregnet hat. Manchmal hat er
     wilde Äpfel gefunden, manchmal hat er sich an einen Bauernhof herangeschlichen und ein paar Eier oder eine Milchkanne geklaut.
    Sein Vorrat an Karamellbonbons ist schon am dritten Tag
     aufgebraucht gewesen.
    In Huskvarna hält er sich einige Stunden auf, um sich die
     Stadt genauer anzusehen, in der seine geliebte Schrotflinte
     hergestellt worden ist, aber er kann die Waffenfabrik nicht
     finden und wagt auch nicht, jemanden danach zu fragen.
     Huskvarna kommt ihm so groß vor wie Kalmar, und die
     Nachbarstadt Jönköping ist noch größer. Sein Anzug riecht
     zwar nach Wald und Schweiß, aber es sind so viele Menschen
     auf den Straßen, dass er sich herumzulaufen traut, ohne befürchten zu müssen, von allen angestarrt zu werden.
    Er hat sogar den Mut, in einem Restaurant zu essen und
     sich neue Wanderschuhe zu kaufen. Die dreizehn Kronen
     teuren Schuhe reißen ein kleines Loch in seine Reisekasse,
     die sein Onkel August

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