Öland
aufgefüllt hat. Der Inhalt der Kasse
schrumpft zusehends, aber er geht trotzdem in die kleine
Kneipe nahe der Eisenbahnlinie und bestellt ein großes
Steak, ein Bier und ein kleines Glas Grönstedts Cognac für
insgesamt zwei Kronen und dreiundsechzig Öre. Teuer ist
das, aber Nils findet, er hatte sich das nach der langen Wanderung verdient.
Gestärkt lässt er Jönköping hinter sich und wandert weiter
Richtung Westen. Am Ende erreicht er die Küste.
Göteborg ist die zweitgrößte Stadt des Landes, das hat Nils
in der Schule gelernt. Göteborg ist riesig; am Fluss Göta, der
sich durch die Stadt schlängelt, reiht sich ein Häuserblock an
den nächsten, auf den Straßen fahren Hunderte von Fahrzeugen,auf den Bürgersteigen laufen alle Arten von Menschen
herum. Am Anfang überfällt Nils fast Panik, und in den ersten Tagen hat er sich ständig verlaufen. In den Straßen am
Hafen hört er fremde Sprachen, von den Seemännern aus
England, Dänemark, Norwegen und Holland. Er sieht Schiffe
auf dem Weg zu fremden Häfen ablegen oder vorsichtig an
der Pier anlegen. Zum ersten Mal in seinem Leben hat er eine
Banane gegessen; sie ist fast schwarz und schon ein bisschen
faulig gewesen, hat aber trotzdem gut geschmeckt. Eine Banane aus Südamerika.
Alles im Hafen ist im Vergleich zu den Häfen auf Öland
groß und fremdartig. Reihen von Kränen strecken sich wie
schwarze, urzeitliche Tiere in den Himmel, und die Schlepper stoßen dicken, grauen Qualm aus, wenn sie zwischen den
großen Ozeandampfern in der Fahrrinne hin und her fahren.
Aus Göteborgs Hafen sind Segel und Masten fast völlig verschwunden; an den Anlegern sieht man nur noch Frachter
mit Schiffsschrauben.
Nils ist am Wasser entlanggelaufen, hat sich die langen
Schiffsrümpfe genau angesehen und an Bananen in Südamerika gedacht.
In seiner ärmlichen Junggesellenkammer lässt er sich nur
selten blicken, er kommt spät und steht früh auf. Die eiskalten Nächte auf Moos und Fichtenzweigen vermisst er keineswegs, aber wenn er in seinem Bett liegt, erscheinen ihm die
Wände wie die einer Gefängniszelle, und er horcht ängstlich
auf die Schritte der Polizei im Treppenhaus.
Eines Nachts öffnet sich die Tür seines Zimmers, und die
große Gestalt des Kommissars Henriksson kommt herein.
Seine Uniform ist blutgetränkt. Zitternd streckt er seine bluttriefende Hand nach ihm aus.
Du hast mich getötet, Nils. Jetzt habe ich dich gefunden.
Nils springt auf. Aber das Zimmer ist leer.
Während seines Aufenthaltes in Göteborg hat er Vera eine
einzigePostkarte mit einer Zeichnung des Leuchtturms von
Vinga auf der Vorderseite geschickt. Nils hat weder Absender
noch Grußworte daraufgeschrieben. Er will seiner Mutter
nur verraten, dass er noch auf freiem Fuß ist und sich an der
Westküste des Landes aufhält. Das wird ihr genügen.
Der junge Mann hat jetzt den Park erreicht. Er ist so alt wie
Nils und heißt Max.
Das erste Mal hat er Max vor drei Tagen gesehen, in einem
kleinen Hafencafé, in dem Max in einer Ecke des Raumes, nur
wenige Tische von Nils entfernt, gesessen hat. Er ist ihm sofort ins Auge gefallen, denn er hat Zigaretten geraucht, die er
aus einem goldenen Etui genommen hat, und hat laut und in
breitem Göteborger Dialekt mit den Kellnerinnen, dem Cafébesitzer und den anderen Gästen gesprochen. Alle haben ihn
Max genannt. Zwischendurch haben Besucher das Café betreten und sich an seinen Tisch gesetzt, junge und ältere
Männer, die sich gedämpft mit ihm unterhielten. Dann hat
auch Max seine Stimme gesenkt, und die Unterhaltung hat
hauptsächlich aus Gesten und schnellem Informationsaustausch bestanden.
Max verkauft etwas, so viel ist klar, aber da nie eine Ware
den Besitzer wechselt, vermutet Nils, dass er gute Ratschläge
und Auskünfte verkauft. Nachdem er ihn etwa eine Stunde
lang beobachtet hat, ist Nils aufgestanden und hat sich an
den Ecktisch gesetzt, ohne sich vorzustellen. Aus der Nähe
sieht er, dass Max noch relativ jung ist, fettiges Haar und
ein pickliges Gesicht hat. Aber sein Blick ist hellwach, als er
Nils zuhört.
Mit einem Fremden zu reden, nachdem er so lange allein
unterwegs gewesen ist, fällt ihm nicht leicht. Genauso leise,
fast flüsternd, wie die anderen Besucher vor ihm, bittet er
um einen Gefallen. Max hört ihm zu und nickt.
»Zwei Tage«, lautet seine Antwort. So viel Zeit werde er
dafür benötigen.
»Du
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