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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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kleinen Koffer und rief die Zugauskunft an. Rund drei Stunden später saß ich in einem klimatisierten Abteil des ICE von München nach Hamburg. Trotz meines Katers fühlte ich mich ausgezeichnet. Es war ein regnerischer Samstagmorgen, und das Wetter wurde schlechter, je weiter der Zug nach Norden kam.

Drei
    I
    n Hamburg schüttete es wie aus Kübeln. Ich hatte einen Teil der Zugfahrt verschlafen und merkte erst jetzt, wie hungrig ich war. An einem Kiosk kaufte ich mir ein ungenießbares Sandwich, das ich nach zwei Bissen wegwarf. Meine Hochstimmung war verschwunden. Es war eine lächerliche Idee gewesen hierher zu fahren. Sie würde denken, dass ich sie kontrollieren wolle. Es war nun mal einfach so, dass sie überall hinfahren konnte, ohne mir Bescheid zu sagen. Aber würde sie das tun? Ich wusste es nicht.
    Auf dem Weg zum Ausgang sah ich ein Blumengeschäft und kaufte einen großen Strauß Frühlingsblumen. Damit trat ich auf den Bahnhofsvorplatz und winkte zur langen Reihe der wartenden Taxis hin. Die Fahrt zu Helens Wohnung dauerte fast zwanzig Minuten, und der Regen hatte eher noch zugenommen. Ich war kurz davor, den Fahrer zu bitten, mich zum Bahnhof zurückzubringen. Was ich hier machte, verstieß gegen unsere Vereinbarung.
    Was würdest du sagen, wenn ich samstagnachmittags unangemeldet vor deiner Tür stünde. – Ich würde mich freuen. » Zweiundzwanzig Euro«, sagte der Fahrer. Der Wagen hielt vor einem großen, sandfarbenen Haus aus der Gründerzeit, in dem ich bereits viele Male gewesen war. Ich stieg aus und ging zur stilvoll restaurierten Haustür hinüber. Es gab vier Mietparteien im Haus, und Helen wohnte im Obergeschoss. Ich besaß einen Schlüssel vom Haus und der Wohnung. Aber so blöd war selbst ich nicht. Stattdessen drückte ich auf den Klingelknopf. Dann starrte ich auf die Gegensprechanlage und wartete fast eine Minute. Sie war nicht da. Das hatte ich doch gewusst, oder? Ich klingelte erneut, kurz, kurz, lang. Während der Zugfahrt hatte ich versucht, mich auf diesen Moment der Enttäuschung vorzubereiten, aber irgendwie hatte es nicht funktioniert.
    Ich hatte nicht die Absicht, die verdammten Blumen wieder mitzunehmen. Also schloss ich die Haustür auf und stieg die Treppe hinauf. Das Treppenhaus war mit Holz getäfelt, gepflegt und sehr still. Es wirkte trotz des trüben Wetters freundlich und einladend. Statt der sonst üblichen Hausordnungen und Verbotsschilder hingen an den Wänden sorgfältig gerahmte Drucke von Miró, die den Treppenaufstieg beinahe wie den Gang durch eine Galerie erscheinen ließen. Keine Kinder, dachte ich, als ich die letzten Stufen zu Helens Wohnung hinaufstieg, nie im Leben lassen die hier Kinder rein.
    Dann sah ich den weißen Fleck an der Tür. Er war etwa handtellergroß, glänzte und war irgendwie beschriftet. Ich war jetzt vielleicht noch fünf Meter entfernt und konnte deutlich erkennen, dass der Fleck über den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen geklebt war und das Wappen der Stadt Hamburg trug. Unwillkürlich war ich stehen geblieben und spürte, wie mein Hals trocken wurde. Ich trat nahe an die Tür heran, aber im Grunde hatte ich sofort gewusst, was es war: Die Tür war polizeilich versiegelt. Ich hatte so ein Siegel schon einmal gesehen. In München, vor fast achtundzwanzig Jahren. Als Mischkas Vater sich erhängt hatte.
    Warum versiegeln sie eine Wohnung? – Weil sie noch nicht fertig sind mit der Untersuchung. Weil sie befürchten, dass Spuren vernichtet werden könnten. Weil es ein Tatort ist.
    Ich selbst hatte es dem heulenden Mischka erklärt und war mir dabei ziemlich cool vorgekommen. Dass ausgerechnet Mischka weinte, hatte mir jedenfalls mehr ausgemacht als der Selbstmord seines Alten.
    Was war hier passiert? Es musste etwas geschehen sein, während sie nicht da war. Das war es. Sie war verreist, und während ihrer Abwesenheit war jemand eingebrochen. Die Polizei hatte die Spuren gesichert und die Wohnung versiegelt. Aber warum hatte man Helen nicht benachrichtigt? Vielleicht hatte man sie nicht finden können.
    Ich legte die Blumen vor die Tür, stieg die Treppe hinab und klingelte bei den drei anderen Mietern. Es war niemand zu Hause. Ich war tatsächlich allein im Haus. Unschlüssig öffnete ich die Haustür und trat hinaus ins Freie. Es regnete kaum noch, und ein kräftiger Wind hatte in die einheitlich graue Wolkenfront ein paar blaue Löcher gerissen. Ich griff in meine Manteltasche, holte die Visitenkarte heraus, die der

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