Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen
Licht
werden, das ist schon bemerkenswert. Man glaubt, den Drang des Verfassers zu Höherem zu spüren, und eigentlich erwartet man für die nächste Ausgabe des Kataloges Produktbeschreibungen in gereimter Form.
Mein Lieblingsstück ist übrigens der
Ionen-Haartrockner
. Denn:
Er halbiert die nutzlose Zeit beim Haaretrocknen.
Da sind Sie platt, was? Die nutzlose Zeit zu halbieren, das haben schon große Geister vergeblich versucht. Und hier schafft es ein einfacher Föhn, der obendrein die Haarstruktur verbessert und seidigen Glanz ins Haar bringt.
Für diejenigen, die sich bei all diesen unwiderstehlichen Angeboten finanziell übernommen haben, bleibt zum Glück:
Ihr Fluchtweg für den Ernstfall. TÜV-geprüft. Diese Rettungsleiter kann Sie und Ihre Familie schnell außer Gefahr bringen. Zusammengelegt wird die patentierte Leiter so klein wie ein Aktenkoffer. So liegt sie immer griffbereit im Schrank oder unter Ihrem Bett.
Dann nix wie weg, wenn der Gerichtsvollzieher kommt. Aber den Katalog nicht vergessen!
Die Frau im Schrank
In meinem Schrank wohnt eine Frau. Es ist eine Frau mit einem ganz eigenen Geschmack. Sie trägt enge Dreiviertelhosen, ausgeschnittene T-Shirts, kurze Röcke und hohe Schuhe – alles Sachen, die ich nicht trage. Die ich zwar gerne tragen würde, die mir aber leider nicht stehen. Diese Frau sieht so aus, wie ich gerne aussehen würde: Sie ist ungefähr zehn Zentimeter größer als ich, hat lange, schlanke Beine und einen deutlich größeren Busen. Sie hat die Fähigkeit, stundenlang in eleganten, hochhackigen Schuhen herumzugehen, ohne sich den Fuß zu verstauchen oder Blasen zu kriegen. Wenn sie Röcke trägt, schlägt sie damenhaft die Beine übereinander, Dreiviertelhosen enden bei ihr in der Mitte der Wade und nicht am Knöchel, und ihr T-Shirt-Dekolleté ist gut gefüllt. All das ist bei mir leider nicht der Fall, was ich gelegentlich vergesse. Dann glaube ich, diese Frau zu sein, die ich gerne wäre, und kaufe für sie ein. Ich denke die ganze Zeit, ich würde für mich selbst einkaufen, aber noch während ich bezahle, weiß ich, dass ich die Sachen niemals tragen werde.
Wie eine unsichtbare Zwillingsschwester begleitet sie mich schon seit meiner Kindheit (da war sie natürlich auch noch ein Kind). Schon damals wünschte ich mir geblümte Kleider, die ich dank der Großzügigkeit meiner Eltern auch bekam – und fast nie trug. Wenn ich die Kleider im Geschäft sah, fand ich sie wunderschön. Ich fühlte mich wie ein Mädchen, das geblümte Kleider tragen konnte, ja tragen m usste. Kaum wieder zu Hause, wusste ich wieder, dass ich ein Mädchen für Hosen und Pullis war. Ich wäre so gerne dieses Mädchen gewesen, zu dem die geblümten Kleider passten. Damals richtete sich das andere Mädchen in meinem Schrank ein und führt seither eine Parallel-Existenz zu meiner.
Es bekam Lackschuhe und Faltenröcke, später Hot Pants und rückenfreie Tops, es bekam massenhaft Plateau-Schuhe, Blusen mit flatterigen Ärmeln und taillenbetonte Sommerkleider. Kurz, es bekam all die angesagten Klamotten, die ich mir wünschte, in denen ich mich aber fühlte, als wäre ich nicht ich selbst. Ich trug sie ein-, zweimal und versenkte sie danach traurig in den Tiefen meines Schrankes.
Schlimm wurde es, wenn ich Freundinnen hatte, die so waren wie das andere Mädchen. Die trugen all die Kleider und Schuhe, von denen ich träumte, sahen hinreißend darin aus. In diesen Zeiten triumphierte das andere Mädchen, denn es bekam so viele Klamotten wie nie zuvor, während ich wieder zu Jeans und Pulli zurückkehrte.
Je älter ich werde, desto kürzer halte ich das andere Mädchen, das natürlich auch längst eine Frau von siebenundvierzig Jahren geworden ist. Zum Glück weiß ich inzwischen besser als früher, was mir steht und was nicht, und die Anzahl meiner Fehlkäufe wird geringer. Nur bei manchen Sachen lässt die andere Frau einfach nicht locker: So hat sie mich all die Jahre genervt, sie wolle endlich ein Abendkleid. Nie könne sie zu all den Filmpreisverleihungen und Wohltätigkeitsbällen gehen, zu denen wir eingeladen seien, weil in unserem Schrank außer ein paar schwarzen Hosenanzügen absolut nichts hängt, was auch nur entfernte Ähnlichkeit mit Abendgarderobe hätte. Mir kommt das natürlich entgegen, weil ich auf Filmpreisverleihungen und Wohltätigkeitsbälle eh nicht so stehe, aber die andere Frau gibt einfach keine Ruhe.
Als dann die Talkshow »3 nach 9« ihr dreißigjähriges Jubiläum
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