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Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen

Titel: Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Haltung mehr gelten lassen können. Nehmen wir die Nichtraucher. Oft sind das Menschen, die selbst mal geraucht haben und nun stolz darauf sein können, es nicht mehr zu tun. In der Regel sind sie friedlich, sehen nachsichtig lächelnd auf ihre immer noch rauchenden Mitmenschen herab und freuen sich im Stillen, dass sie sich aus den Klauen der Nikotinsucht befreien konnten. Unter ihnen aber gibt es eine militante Minderheit, die sich dem Kampf gegen das Rauchen verschworen hat, als ginge es um das Überleben der gesamten Menschheit, die einen heiligen Krieg gegen jeden führt, der nicht ebenso radikal denkt wie sie selbst.
    Nach fast jeder Sendung der Talk-Show »3 nach 9« darf ich Bekanntschaft mit einigen von ihnen machen: Ich werde mit E-Mails bombardiert, in denen ich aufgefordert werde, dafür zu sorgen, dass die Gäste während der Sendung nicht rauchen. Würde ich dieses Verbot nicht durchsetzen, machte ich mich nicht nur den jugendlichen Zuschauern gegenüber schuldig, die – verführt vom schlechten Beispiel – sofort zur Zigarette griffen, nein, ich fügte auch meiner eigenen Gesundheit Schaden zu, da ich ja passiv mitrauchen müsste. Ja, ich sei sogar mitschuldig am Tod Hunderttausender von Passivrauchern.
    Mal abgesehen davon, dass das Durchschnittsalter der 3 nach 9-Seher deutlich über fünfzig liegt und die Gefahren des Passivrauchens sich in einem gut belüfteten 500-qm-Studio vermutlich in Grenzen halten: Ebenso wenig, wie ich meinen Gästen zu Hause das Rauchen verbieten würde, verbiete ich es ihnen in meiner Sendung. Gastfreundschaft bedeutet, seinen Gästen einen schönen Abend zu bereiten. Wenn es für einen Raucher zu einem schönen Abend gehört, dass er rauchen kann, dann soll er es dürfen, sonst darf ich ihn nicht einladen.
    Einige meiner besten Freunde sind Raucher – soll ich ihnen vielleicht die Freundschaft kündigen? Am Ende bin ich dann auch einer von den miesepetrigen Nichtrauchern, die keine Freunde mehr haben, aber dafür umso mehr Zeit, belehrende E-Mails zu verschicken.
    Um eines klarzustellen: Rauchen ist erwiesenermaßen schädlich und gefährlich, und ich denke nicht im Traum daran, diese Tatsache zu leugnen. Aber erstens weiß das inzwischen jedes Kind, und trotzdem wird weitergeraucht. Zweitens gibt es eine Menge Dinge, die auch schädlich oder gefährlich sind; Autofahren zum Beispiel, zu viel Fernsehen oder der massenhafte Verzehr von minderwertigen Lebensmitteln, wie sie in jedem Supermarkt verkauft werden.
    Komischerweise habe ich noch nie eine E-Mail von einem militanten Nicht-Autofahrer erhalten, der mich aufgefordert hätte, dafür zu sorgen, dass unsere Gäste auf dem Fahrrad anreisen, obwohl der weltweite Ausstoß von Kohlenmonoxyd garantiert größere Schäden anrichtet als der gesamte Zigarettenrauch zusammen. Auch die radikalen Nicht-Fernsehgucker haben sich bei mir noch nicht gemeldet, dabei weiß jeder, dass Dauerglotzen blöd, fett und gewalttätig machen kann. Auch die Anti-Chips-Cola-Hamburger-Schokoriegel-Fraktion verhält sich merkwürdig still, dabei haben die Schäden, die durch falsche Ernährung entstehen, die schädlichen Folgen des Rauchens längst eingeholt. Der entscheidende Unterschied ist aber: Die Schädlichkeit des Rauchens ist hinreichend bekannt, schließlich steht inzwischen auf jeder Packung, dass Rauchen tödlich sein kann. Einen ähnlichen Aufdruck auf Schokoriegeln, Cola-Dosen, Hamburger-Schachteln, Autos oder Fernsehgeräten habe ich noch nicht entdecken können. Jeder Raucher weiß also, was er tut, und es ist nicht meine Sache, ihn davon abzubringen.
    Liebe Nichtraucher, verschont mich bitte zukünftig mit eurer Mission! Ich selbst rauche seit 15 Jahren nicht mehr. Als erwachsener Mensch möchte ich aber bitte selbst entscheiden, wie ich mich Rauchern gegenüber verhalte. Für mich ist Toleranz eine ebenso wichtige Tugend wie Rücksichtnahme. Wenn die Raucher rücksichtsvoll sind und die Nichtraucher tolerant, können sie friedlich zusammenleben, ohne den anderen mit ihrer Überzeugung terrorisieren zu müssen. Vielen Dank für Ihr Verständnis!

Das kann kein Zufall sein!
    Eigentlich sind wir doch alle vernünftige, rational denkende Menschen, die genau wissen, dass es keine Geister, keine Vorsehung, keine Hellseherei und keine Zauberei gibt. Warum gießen wir trotzdem an Silvester Blei und waschen am Aschermittwoch unser Portemonnaie in einem Brunnen aus? Warum versuchen wir, beim Straßenpflaster auf die Platten zu treten und

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