Offensive Minotaurus
Vorhaben Dritter zu erkennen – noch ehe die Betreffenden selbst wissen, was sie tun wollen –, ist meiner Auffassung nach entschieden gefährlich. Wir können dankbar sein, daß Sie als Agent der GWA im Interesse der Menschheit arbeiten. Wäre dies nicht der Fall, oder bestünden nur die geringsten Zweifel an Ihrer Loyalität, würde ich Sie auf der Stelle erschießen lassen. Ein Mann wie Sie könnte zum Weltfeind Nummer eins werden.«
Das Lächeln des Geheimdienstchefs ließ mich erschauern. Gregor Gorsskij hatte es absolut ernst gemeint.
»Ich verstehe Sie vollkommen, Sir«, entgegnete ich. »Wenn Sie mich aus dieser Sicht beurteilen, haben Sie allerdings recht, wenn Sie den Begriff ›gefährlich‹ gebrauchen. Um so mehr überrascht es mich, daß es General Reling für nötig gehalten hat, darüber zu sprechen. Ich bitte dringend um eine besondere Vereidigung der hier anwesenden Personen.«
»Das war eine scharfe Spitze, Gorsskij. Haben Sie es bemerkt?« warf Reling ein. »Colonel HC-9, die Anwesenden sind vereidigt worden. Außerdem handelt es sich um die zuverlässigsten Männer des russischen Geheimdienstes. Nur Major Ludinow ist soeben erst eingeweiht worden.«
Ich war zutiefst bestürzt. Was ging in dem Chef vor, einen wildfremden Offizier mit den bedeutendsten Geheimnissen der GWA vertraut zu machen?
Ich blickte Reling verstört an, bis ich auf die Idee kam, seinen Gedankeninhalt zu sondieren.
»Narr!« vernahm ich auf parapsychischer Ebene. »Nach Ihrem Einsatz werden die betreffenden Informationen aus dem Gedächtnissektor der Eingeweihten gelöscht. Wir haben jetzt die Mittel dazu. Vorerst muß man es wissen. Nur Gorsskij behält seine Kenntnisse. Das können wir verantworten.«
Ludinow musterte mich eingehend. Als ich mich auf ihn einstellte, erhaschte ich einen Gedankenfetzen, der mich unvermittelt auflachen ließ.
»Aber, Herr Major, man denkt doch nicht von anderen Leuten, sie wären ›alte Gauner‹.«
Ich schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
Ludinow tastete nach einem Stuhl und nahm Platz. Sein Gesicht hatte sich verfärbt. Schließlich meinte er:
»Jetzt weiß ich auch, warum Sie mich nichts fragten, Brüderchen; tun Sie mir den Gefallen und lassen Sie mich in Ruhe.«
»Mein Wort darauf.«
»Nennen Sie mich Nikolai – Nikolai Alexandrowitsch, aber tasten Sie nicht in meinem Gehirn herum.«
»Ich habe Ihnen mein Wort gegeben.«
»Gut, ich muß Ihnen glauben. Wenn ich Sie in die Wälder fahre, können Sie meinetwegen belauschen, wen Sie wollen. Nur lassen Sie mir meine kleinen menschlichen Geheimnisse.«
Major Ludinow war ehrlich erschüttert. Auch die anderen Männer sahen mich scheu an. In diesem Augenblick erfaßte ich zum ersten Male in voller Konsequenz, daß ich auf normale Menschen wie ein Ungeheuer wirken mußte.
»Es tut mir leid«, sagte ich ernüchtert. »Bitte glauben Sie mir, daß ich ebenfalls einen Schock erlitten habe. Kein Außenstehender wußte bisher, wozu ich in der Lage bin. Unsere Experten beurteilen es anders. Für sie ist Telepathie etwas Natürliches. Ich verstehe, daß Sie sich indirekt bedroht fühlen. Verzeihen Sie.«
Gorsskij drückte mich mit der Hand in einen Sessel.
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Wir halten es für selbstverständlich, daß ein verantwortungsbewußter Mann nur dann von seinen Gaben Gebrauch macht, wenn es dienstlich erforderlich ist.«
»Natürlich, Sir.«
»Na also. Sprechen wir nicht mehr davon. Herr Oberst, General Reling hat Sie auf meine Bitte hin nach Sibirien gerufen. Wir sind in einer Verlegenheit, die auch die ganze Welt betrifft. Der Fall kann nur von Ihnen gelöst werden.«
Für einen Augenblick wurde es still im
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