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Oh, diese Verwandschaft!

Oh, diese Verwandschaft!

Titel: Oh, diese Verwandschaft! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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schließlich ins Bett gekrochen war. Er hatte sich nicht gerührt. Sonst hätte sie bestimmt Evas Wunsch nach Stillschweigen ignoriert. Sie wäre mit der ganzen erbärmlichen Geschichte herausgeplatzt und hätte von ihrem albernen Versprechen erzählt, Mrs. Everton besuchen zu wollen. Er aber hatte nur gegrunzt, sich vom Licht weggedreht und war scheinbar gleich wieder fest eingeschlafen.
    So verhielt er sich auch, als sie jetzt ziemlich spät heimkam. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, daß Eva wenigstens das Essen vorbereitet hatte. Joseph lungerte herum, und Derek wartete betont geduldig auf ihr Erscheinen. Sie übersah die bange Frage in Evas Gesicht und sagte kurz: »Die Seeluft macht hungrig! Fein, daß es etwas zu essen gibt! Vielen Dank, Eva!«
    Dann wurde ihr bewußt, daß sie, nach allem, was sie mitgemacht hatte, gar nichts essen konnte. Statt dessen redete sie zuviel und zu lebhaft; sie bemerkte die spöttischen Blicke ihres Mannes und seine gewollt höfliche Aufmerksamkeit, während sie immer weiterplapperte. Sie wünschte, sie hätte Anna Evertons Haltung und besäße ihre Fähigkeit, Gefühle hinter einer Fassade aus Würde und guter Haltung zu verbergen.
    Endlich erwischte Eva ihre Kusine allein. Sie packte sie am Arm und flüsterte: »Wie war’s? Ich hätte dich schon vorher sprechen wollen, Laura. Nun erzähl schnell. Hat sie schon was gewußt? Was hat sie gesagt? Wird sie sich von Kenneth scheiden lassen?«
    Laura nahm sich gewaltig zusammen und sprach ganz ruhig. Sie wollte Eva gehörig Bescheid sagen, ihr ihre eigensüchtige Dummheit vorwerfen; sie wollte ihr den Unterschied zwischen ihr und Anna klarmachen. Aber sie brachte nur kraftlos heraus: »Ja, ich habe sie gesehen. Sie weiß alles.«
    »Und? Sie hat doch hoffentlich genügend Stolz, um ihn gehen zu lassen?«
    In eiskaltem Ton erwiderte Laura: »Sie besitzt sehr viel Stolz. Viel zuviel, als daß sie einen Mann festhielte, der frei sein möchte.«
    »Dann ist ja alles gut.«
    »Meinst du? Ich sagte, der frei sein möchte .«
    Ihre Kusine blickte sie wütend an, aber Laura fuhr ruhig fort: »Das muß erst noch festgestellt werden, nicht wahr?«
    »Blödsinn! Du verstehst überhaupt nichts. Sag doch, hat sie zugestimmt?«
    »Mir scheint, du hast deine fünf Sinne nicht beisammen. Glaubst du wirklich, Mrs. Everton würde mir, einer Fremden, ein Versprechen geben? Kennst du sie überhaupt? Wie konntest du dir nur ein so falsches Bild von ihr machen?«
    »Ach, ich habe sie ein- oder zweimal gesehen. Die kann jeder beurteilen. Sie ist jener ruhige, langweilige Typ, der sich an einen Mann hängt. Es ist nichts an ihr dran; sie ist nur Hausfrau und Mutter.«
    Laura war müde und verlor die Beherrschung. »Nichts an ihr dran! An ihr ist viel mehr dran als an dir, und Kenneth weiß das ganz genau. Nach ihr kannst du ihm niemals genügen. Du hast ihm den Kopf verdreht, denn du bist jung und hübsch. Nach drei Monaten hat er dich satt und sehnt sich nach der Frau, die ihn immer verstanden und die ihm in den letzten zwölf Jahren Halt gegeben hat. Du bist verrückt, Eva! Schlimmer, du stiehlst und betrügst. Du hängst mir zum Hals heraus mitsamt deiner albernen Romanze! Es ist mir egal, was du tust, wenn du mich nur von jetzt ab in Ruhe läßt. Aber das muß ich dir sagen: Du wirst die Hölle auf Erden haben, wenn du so weitermachst. Der Mann ist geistreich und charmant, aber er hat einen zu weichen Charakter. Seine Frau hat ihm die ganze Zeit den Rücken gestärkt. Ohne sie ist er nichts.«
    Laura verlor den letzten Rest ihrer Selbstbeherrschung und fügte hinzu: »Ich war blöde, daß ich dort hingefahren bin, um sie zu sehen. Sie war wie ein Engel. Und euch beide hasse ich, weil ihr mich in diese Situation gebracht habt!«
    Sie ging nach oben in ihr Zimmer.
    Aus diesem Zufluchtsort wurde sie eine halbe Stunde später durch Eva aufgestört; Eva war sichtlich nervös. Sie stand mit ängstlich flehendem Gesicht in der Tür.
    »Laura, entschuldige bitte, aber Ken ist hier. Er will dich unbedingt sprechen. Könntest du — könntest du vielleicht für zehn Minuten runterkommen?«
    Das klang demütig und rührend; aber Laura antwortete nicht. Sie stieß einen sehr wenig damenhaften Fluch aus und ging widerwillig hinunter. Als sie an der geschlossenen Tür des Arbeitszimmers vorbeiging, dachte sie: Derek versteht es wirklich meisterhaft, es so einzurichten, daß er an solchen Abenden wie heute immer etwas ganz Dringendes erledigen muß. Die Männer

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