Oh, diese Verwandschaft!
hereinfallen, da er doch Sie hatte?«
Anna lächelte. »Sie wollen mich trösten. Aber Sie erkennen doch meine Schwierigkeit. Ich kann dieses Kind nicht als Waffe einsetzen. Ich kann Kenneth nicht einmal davon erzählen.«
»Er weiß es nicht?«
Natürlich konnte er es nicht wissen. So gemein war er denn doch nicht.
»Nein. Und er soll es auch nicht wissen, ehe wir miteinander im klaren sind. Das ist der Grund, weshalb ich von daheim fort bin. Ein prosaischer Grund; denn tatsächlich fühle ich mich nicht recht wohl und hatte Angst, er würde etwas merken.«
»Aber — würde er sich denn nicht freuen?«
»Doch. Bevor ihn diese — diese Leidenschaft packte, wünschten wir uns noch ein Kind. Ich habe mir immer ausgemalt, wie sehr er sich freuen würde. Vielleicht nicht gleich, denn wir sind nicht mehr die Jüngsten. Aber es hätte ihm bestimmt neuen Auftrieb gegeben; es wäre wie ein neuer Anfang gewesen. Wie man eben immer wieder neu anfängt.«
Zum erstenmal wurde ihr Ton bitter.
»Aber natürlich können Sie das!« Laura rief es ganz laut. »Natürlich werden Sie das. Sie müssen es ihm erzählen. Das wird ihn sofort zur Besinnung bringen!«
Anna schüttelte entschlossen den Kopf. »Das ist gerade das, was ich nicht will. Das Kind soll nicht den Ausschlag geben. Ich bin beinahe überzeugt, diese Tatsache würde Kenneth umstimmen. Aber später könnte er mir das vorwerfen; er könnte sogar glauben, ich hätte es absichtlich getan. Nein, er muß aus freien Stücken entscheiden, wohin er geht, ohne daß ihm jemand die Verantwortung abnimmt. Das habe ich nur zu oft getan. Jetzt ist er an der Reihe.«
Verwirrt, aber fest entschlossen fuhr Laura nach Brookside zurück. Dieser Wahnsinn mußte ein Ende haben. Wie konnte Eva nur eine so falsche Vorstellung von ihrer Rivalin haben? Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens, nahm Laura an. Oder ließ sie sich von der äußeren Ruhe dieser Frau so täuschen? Anna Everton war ein großartiger Mensch. Charakterlich konnte ihr Eva nicht das Wasser reichen. Sie besaß jene natürliche Ausgeglichenheit, die Eva so mühsam anstrebte. Wenn Anna sich zu einem Kampf entschließen würde, gäbe es keinen Zweifel, wer Sieger bliebe.
Aber gerade das lehnte sie ja ab. Nach ihrem Treffen war es Laura klar, daß Anna immer die Stärkere gewesen war; die stille Kraft im Hintergrund; und das wollte sie bleiben. Möglicherweise hatte Everton unbewußt gegen diese ruhige Stärke rebelliert. Laura hatte zu Anna — mit schlechtem Gewissen — geäußert, Eva sei ein »Leichtgewicht«. Diese Leichtigkeit hatte Everton fasziniert. Eva mochte Everton wohl faszinieren, aber sie konnte ihn nicht halten.
Was sollte Laura jetzt tun? Mrs. Everton war nicht der Mensch, anderen ein Versprechen abzuzwingen; sie hatte es Laura selbst überlassen, was sie tun oder sagen wollte. Aber natürlich konnte sie unmöglich Annas Geheimnis verraten, so stark die Versuchung auch sein mochte. Wenn sie ihm verraten würde: Ihre Frau ist sehr unglücklich; sie erwartet noch ein Kind, würde er sofort zu ihr eilen. Er würde Buße tun und jeden Gedanken an Eva für alle Zeiten verbannen wollen. Aber stets würde seine Frau das Gefühl haben, ihre Schwangerschaft sei der Grund, daß er zu ihr zurückgekehrt sei. So gern sie auch sein Gesicht bei dieser Überraschung gesehen hätte, konnte sie das doch keinesfalls tun.
Was hatte sie nun durch ihren peinlichen Besuch erreicht? Ehrlich gesagt: gar nichts. Allerdings hatten sie Annas Worte beim Abschied etwas getröstet: »Armes Ding! Wie sehr müssen die Sie beschwatzt haben! Wie ungern sind Sie hierhergefahren! Aber es braucht Ihnen doch nicht leid zu tun. Vielleicht war es gut für mich, einmal mit jemandem darüber zu sprechen. Stets die Ruhe zu behalten kann auch sehr anstrengend sein.«
Sie war trotz der unpassenden Zudringlichkeit sehr freundlich zu Laura gewesen. Aber was war nun der Erfolg? Laura hatte nur ein Gefühl der Erschöpfung und inneren Leere. Auf Eva und Kenneth war sie so wütend wie nie zuvor, und sie hatte Angst vor dem Zusammentreffen mit Derek. Sie wollte ihm ihren Ausflug erklären — oder, noch schlimmer, nicht erklären, wenn er darauf beharrte, die ganze Angelegenheit zu ignorieren. »Wenn du darauf bestehst, deine Nase in anderer Leute Sachen zu stecken, dann laß mich aus dem Spiel.«
Das war seine Einstellung in der vorhergehenden Nacht gewesen. Sie war überzeugt, daß er nur so getan hatte, als ob er schliefe, als sie
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