Oh, diese Verwandschaft!
sehen ein wenig müde aus. In diesem großen alten Haus muß es viel Arbeit geben, auch ohne daß die Familie, die keinerlei Notiz davon nimmt, bei Ihnen absteigt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie damit fertigwerden.«
Das war völlig neu, daß ein anderer außer Derek die Dinge von ihrem Standpunkt aus ansah! Sie mußte wirklich sehr müde sein, denn nur mit Mühe unterdrückte sie die bittere Bemerkung: Leider hat Großmutter sie mir testamentarisch hinterlassen. Statt dessen sagte sie: »Ach, ich bin schon daran gewöhnt. So sind wir eben aufgewachsen, nicht wahr, Eva?«
Ihre Kusine hatte sich bei der Feststellung ihres Verlobten etwas unbehaglich gefühlt; sie verteidigte sich: »Natürlich ist es unser Zuhause. Laura hat es zwar geerbt, aber für uns bleibt es unsere Heimat. Ist es wirklich wahr, Laura, daß das liebe alte Stück bald abgerissen wird?«
»Ja, ich glaube schon. Derek hat in letzter Zeit allerdings nichts mehr davon gesagt.«
»Na, Gott sei Dank nicht vor meiner Hochzeit!« Und fast gleichzeitig rief Lester: »Und zum Glück nicht, ehe mein Buch geschrieben ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich es woanders schreiben könnte, ohne die treue Laura als Wächter, die die Eindringlinge abwehrt.«
Im Geiste sah Laura sich selbst, wie sie an einer Kette hing und immerfort bellte, ein getreues Abbild ihres Boxers Massa.
Bald danach trat Derek ein. Er war so vergnügt, daß ihn nicht einmal die Gesellschaft im Eßzimmer erschreckte. Laura wurde ganz nervös, als Eva immer weiter von ihren Hochzeitsplänen redete. Aber Derek schien das nicht zu stören, auch nicht, als sie die immer weiter steigende Anzahl der Gäste erwähnte.
War es ein Irrtum, oder hatte er Laura wirklich zugeflüstert: »Keine Angst! Soweit kommt’s nicht!«
Eifrig wandte sich Eva ihm zu und fragte: »Derek, es besteht doch wohl keine Gefahr, daß das Haus noch vor meiner Hochzeit abgerissen wird? Wir müssen das wissen, denn davon hängen unsere Vorbereitungen ab.«
Ausweichend sagte er: »Es gibt nichts, was einen so fit hält, wie immer neue Pläne zu schmieden.«
Als sie ihn noch weiter mit Fragen bedrängte, versprach er: »Das erkläre ich euch später. Das Essen ist fertig. Es hat keinen Sinn, ein gutes Essen durch zuviel Gerede zu verderben.«
Dann brachte er seine Frau in noch größere Verwirrung: er sagte, es sei jetzt der rechte Augenblick für eine kleine Feier, und stellte eine Flasche Wein auf den Tisch.
Was war nur mit ihm los? Er war völlig verändert. Er war weder so abweisend wie sonst, wenn sich die »Waisenkinder« hier versammelten, noch flüsterte er ihr »Wie lange?« ins Ohr. Tatsächlich schien sich Derek zu amüsieren. Er wollte unbedingt mit jedem anstoßen: »Wir trinken auf uns alle und unser aller Zukunft.« Dabei suchten seine Augen die seiner Frau mit einem so warmen und liebevollen Ausdruck, daß sie ganz übermütig wurde vor Glück und alles andere vergaß, sogar die Zahl der Hochzeitsgäste.
Nach dem Essen bat er um Ruhe und sagte: »Liebe Eva und lieber Lester! Was ich euch jetzt sagen muß, wird eure Pläne leider umstoßen. Ihr wußtet ja schon seit langem, daß dieses Haus eines Tages verschwinden würde. Heute wurde mir mitgeteilt, daß dieser Zeitpunkt unmittelbar bevorsteht. Der letzte Unfall war der Anlaß dazu, und mit den Arbeiten wird in aller Kürze begonnen.«
Einen Augenblick lang herrschte eisige Stille, dann fragte Eva scharf: »Doch bestimmt nicht vor meiner Hochzeit?«
Er antwortete überaus freundlich: »Ich fürchte, doch. Aber eure Hochzeit kann ja in der Stadt gefeiert werden. Das wäre zwar nicht so romantisch, aber vielleicht einfacher für die Gäste — und für alle anderen.«
»Aber mein ganzes Herz hängt an dieser Hochzeitsfeier hier im Garten, so wie es bei Laura und Chris auch war!«
»Du kannst ja hier feiern, wenn dir der Bauschutt und die Arbeiter als Zaungäste nichts ausmachen. Es ist zwar eine furchtbare Schweinerei, wenn ein Haus abgerissen wird, aber du hättest ein begeistertes Publikum.«
Sie war wütend. »Du bist roh und gefühllos! Das bedeutet das Ende unserer Pläne. Großmutters Haus verschwindet!«
»Das war seit Jahren zu erwarten; es ist nicht meine Schuld, daß es jetzt geschieht.«
Laura wurde rot. Sicher hatte der Verkehrsunfall den Termin beschleunigt, aber was war denn mit all den Telefongesprächen und den Besuchen bei den Freunden im Straßenbauamt gewesen? Und weshalb unterdrückte er jetzt ein Grinsen? Aber
Weitere Kostenlose Bücher