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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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überprüfen konnte, ob Cynthia mir eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte.
    »Kein Problem«, sagte er, als wir in seinen Pick-up einstiegen, der am Straßenrand des East Broadway geparkt war.
    »Hier würde ich auch gern wohnen«, sagte ich. »Seit ich in Milford lebe, habe ich immer davon geträumt, ein Haus am Strand zu besitzen.«
    »Ich bin hier aufgewachsen«, sagte Vince. »Wenn Ebbe war, sind wir als Kids bis rüber nach CharlesIsland gelaufen. Man musste unbedingt dort sein, bevor die Flut wieder einsetzte. War ’ne coole Sache.«
    Mein neuer Freund war mir immer noch nicht ganz geheuer. Vince Fleming war ein Krimineller, da biss die Maus keinen Faden ab. Ich hatte keine Ahnung, wie groß oder klein seine Organisation war, aber immerhin beschäftigte er drei Schlägertypen, die kurzerhand eingriffen, wenn ihn jemand nervös machte.
    Was, wenn Jane Scavullo nicht plötzlich aufgetaucht wäre? Was, wenn sie Vince nicht davon überzeugt hätte, dass er von mir nichts zu befürchten hatte? Was, wenn Vince nicht davon abzubringen gewesen wäre, dass ich eine Bedrohung für ihn darstellte?
    Als echter Vollidiot fragte ich ihn einfach.
    »Mal angenommen, Jane wäre nicht zwischendurch hereingeplatzt«, sagte ich. »Was hätten Sie dann gemacht?«
    Die rechte Hand am Steuer, den linken Arm am Fenster aufgestützt, sah Vince zu mir herüber. »Das wollen Sie nicht wirklich wissen.«
    Also hörte ich auf zu bohren. Meine Gedanken schweiften bereits in eine andere Richtung, beschäftigten sich mit Vince Flemings Motiven. Half er mir, weil Jane es so wollte, oder weil er sich Sorgen um eine Frau machte, die einst seine Freundin gewesen war? Spielte womöglich beides eine Rolle? Oder wollte er einfach ein Auge auf mich haben?
    Entsprach tatsächlich der Wahrheit, was er vor fünfundzwanzig Jahren vor Cynthias Elternhaus beobachtet haben wollte? Aber aus welchem Grund sollte er die Geschichte erfunden haben?
    Ich war geneigt, ihm zu glauben.
    Als wir in unsere Straße eingebogen waren, wies ich auf unser Haus, doch er fuhr einfach weiter, ging nicht einmal vom Gaspedal. Im selben Moment waren wir auch schon vorbei.
    O nein. Ich war geliefert. Er würde mich alle machen.
    »Was ist denn los?«, fragte ich. »Warum fahren Sie weiter?«
    »Da sind Bullen vor Ihrem Haus«, sagte er. »Der unauffällige Wagen auf der anderen Straßenseite.« Ich blickte in den großen Rückspiegel auf seiner Seite und erspähte ein Auto, das mir irgendwie bekannt vorkam.
    »Detective Wedmore«, sagte ich.
    »Wir fahren um den Block und sehen zu, dass wir von der Rückseite an Ihr Haus herankommen«, sagte Vince, als sei das reine Routine.
    Und genau das machten wir. Wir stellten den Pickup in der Parallelstraße ab, marschierten zwischen ein paar Häusern hindurch und schließlich durch unseren Garten zur Veranda.
    Im Haus hielt ich zunächst nach einem Lebenszeichen von Cynthia Ausschau – einer Nachricht auf dem Anrufbeantworter, einem Zettel, irgendetwas.
    Nichts.
    Vince sah sich um, betrachtete die Bilder an den Wänden, ließ den Blick über die Bücherregale schweifen. Er checkte erst mal alles ab, dachte ich. Dann blieb sein Blick an den offenen Schuhkartons mit Cynthias Erinnerungsstücken hängen.
    »Was ist denn das für Kram?«, fragte er.
    »Sachen, die Cynthia aus ihrem Elternhaus gerettet hat«, sagte ich. »Fotos, alte Zeitungsausschnitte und so weiter. Sie geht die Sachen immer wieder durch in der Hoffnung, sie könnten irgendwann ein Geheimnis preisgeben. Tja, und heute Morgen habe ich selbst darin herumgewühlt, weil ich dachte, ich könnte vielleicht einen Anhaltspunkt finden, wohin sie gefahren ist.«
    Vince setzte sich auf die Couch und kramte kurz in den Sachen. »Lauter unbrauchbares Zeug, wenn Sie mich fragen«, sagte er.
    »Tja, das kann man wohl sagen«, gab ich zurück. Abermals versuchte ich es auf Cynthias Handy. Nach dem vierten Klingeln wollte ich auflegen, als sie sich plötzlich meldete: »Hallo?«
    »Cyn?«
    »Oh, Terry.«
    »Na endlich! Ist alles in Ordnung? Wo bist du?«
    »Alles okay, Terry.«
    »Komm wieder nach Hause, Schatz. Ich bitte dich.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. Im Hintergrund nahm ich eine Art Rauschen wahr.
    »Wo bist du?«
    »Wir sind im Auto unterwegs.«
    »Hallo, Dad!«, drang Grace’ Stimme an mein Ohr.
    »Hallo, Grace«, sagte ich.
    »Dad lässt dich grüßen«, sagte Cynthia.
    »Wann kommst du zurück?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Cynthia.

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