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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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tu’s nicht wieder.«

ZWEIUNDZWANZIG
    Es musste kaum jemand benachrichtigt werden.
    Patricia Bigge, Cynthias Mutter, war Tess’ einzige leibliche Verwandte gewesen. Tess’ Eltern waren schon lange tot, zudem war sie kinderlos geblieben, und es hatte absolut keinen Sinn, sich auf die Suche nach ihrem Exmann zu machen. Er wäre sowieso nicht zur Beerdigung gekommen – und falls doch, wäre Tess davon sicher alles andere als begeistert gewesen.
    Den Kontakt zu ihren früheren Kollegen und Kolleginnen vom Straßenbauamt hatte sie nicht aufrechterhalten. Sie hatte dort sowieso kaum Freunde gehabt, wie sie zu sagen pflegte; mit ihrer liberalen Einstellung war sie dort so manches Mal angeeckt. Sie gehörte zwar einem Bridgeclub an, aber Cynthia hatte keine Ahnung, wer die anderen Mitglieder waren.
    Andererseits bestand kaum Gefahr, dass Tess’ Tod unbemerkt bleiben würde. Zeitungen und Fernsehen berichteten ausführlich über den Mord.
    Es gab eine ganze Reihe von Interviews mit anderen Anwohnern der von dichtem Wald gesäumten Straße, doch niemandem war auch nur das Geringste aufgefallen.
    »Aber man macht sich schon so seine Gedanken«, sagte einer ihrer Nachbarn.
    »Unvorstellbar, dass hier so etwas passiert«, sagte ein anderer.
    »Wir achten jetzt besonders darauf, dass Türen und Fenster nachts fest verschlossen sind«, sagte ein weiterer.
    Wäre Tess von ihrem Exmann oder einem verschmähten Liebhaber erstochen worden, hätten die Nachbarn vielleicht ruhiger schlafen können. Doch die Polizei hatte bislang nicht den geringsten Anhaltspunkt. Es gab kein Motiv. Und keine Verdächtigen.
    Nichts wies auf einen Einbruch hin. Und offenbar hatte auch kein Kampf stattgefunden; nur der Küchentisch war ein wenig verrückt worden und ein Stuhl umgefallen. Tess’ Mörder hatte anscheinend blitzschnell zugeschlagen. Tess hatte sich offenbar einen Augenblick lang gewehrt, sodass der Angreifer gegen den Tisch getaumelt war und den Stuhl umgeworfen hatte. Dann aber hatte die Messerklinge ihr Ziel gefunden und Tess war gestorben.
    Dem Bericht des Leichenbeschauers zufolge hatte ihre Leiche bereits seit vierundzwanzig Stunden auf dem Küchenfußboden gelegen.
    Mir schoss durch den Kopf, was wir alles getan hatten, während Tess tot in ihrem eigenen Blut lag. Wir waren ins Bett gegangen, hatten geschlafen, waren wieder aufgestanden, hatten uns die Zähne geputzt, den Morgennachrichten im Radio gelauscht, waren zur Arbeit gegangen und hatten zu Abend gegessen. Ein voller, wunderbarer Tag war vergangen, den Tess nicht mehr erlebt hatte.
    Die Vorstellung war mir unerträglich.
    Doch sobald ich die trüben Gedanken verdrängte, beschäftigten mich nicht minder ernste Dinge. Wer hatte das getan? Und warum? War Tess zufälliges Opfer eines Verbrechens geworden, oder hatte der Mord etwas mit Cynthias Vergangenheit zu tun?
    Und wo war Denton Abagnalls Visitenkarte? Hatte Tess sie etwa gar nicht an die Pinnwand geheftet? Hatte sie die Karte vielleicht einfach in den Müll geworfen?
    Fragen über Fragen. Am nächsten Morgen rief ich Abagnall unter seiner Handynummer an.
    Die Mailbox schaltete sich ein. Eine Automatenstimme bat mich, eine Nachricht zu hinterlassen. Anscheinend hatte der Detektiv sein Handy ausgeschaltet.
    Ich versuchte es auf seinem Privatanschluss. Eine Frau meldete sich.
    »Könnte ich mit Mr Abagnall sprechen?«
    »Wer ist denn da?«
    »Spreche ich mit Mrs Abagnall?«
    »Wer sind Sie?«
    »Mein Name ist Terry Archer.«
    »Oh, Mr Archer!« Sie klang irgendwie beunruhigt.
    »Ich wollte Sie auch gerade anrufen.«
    »Mrs Abagnall, ich muss dringend mit Ihrem Mann sprechen. Ich habe die Polizei gestern Abend darüber informiert, dass er für uns Nachforschungen anstellt. Gut möglich, dass sie sich bereits mit ihm in Verbindung gesetzt haben.«
    »Hat er sich bei Ihnen gemeldet?«
    »Bitte?«
    »Hat er Sie angerufen? Wissen Sie, wo er ist?«
    »Nein.«
    »Ich verstehe das einfach nicht. Manchmal arbeitet er zwar über Nacht, wenn es um eine Beschattung oder so etwas geht, aber normalerweise meldet er sich zwischendurch.«
    Ein ungutes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. »Er war gestern Nachmittag bei uns«, sagte ich. »Am späten Nachmittag. Um uns über die ersten Ergebnisse seiner Nachforschungen zu unterrichten.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Ich habe anschließend mit ihm telefoniert. Er hat gesagt, jemand hätte ihm eine Nachricht auf seiner Mailbox hinterlassen. Und dass derjenige wohl noch mal

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