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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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war«, sagte Cynthia. »Die Person, die den Hut zurückgelassenund uns die E-Mail geschickt hat. Und trotzdem denkst du, ich hätte den anonymen Brief geschrieben?«
    »Das denke ich doch gar nicht«, sagte ich.
    Todernst sah sie mir in die Augen. »Glaubst du, dass ich meine Familie getötet habe?«
    »Herrgott noch mal, Cyn.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Aber der Gedanke ist dir schon mal gekommen, richtig? Das eine oder andere Mal hast du dich gefragt, ob es nicht vielleicht möglich wäre.«
    »Nein«, sagte ich. »Ich habe mich nur gefragt, ob die Belastungen der letzten Zeit dazu geführt haben könnten …« – ich konnte das dünne Eis unter meinen Füßen regelrecht knacken hören – »… dass du Dinge wahrnimmst, vielleicht sogar tust, die man, nun ja, nicht als rational bezeichnen kann.«
    »Oh«, sagte Cynthia.
    »Als ich gesehen habe, dass dieser anonyme Brief auf meiner Schreibmaschine getippt worden war, habe ich mich gefragt, ob du das vielleicht getan hast, um die Polizei dazu zu bringen, sich noch einmal mit dem Fall zu beschäftigen.«
    »Ach, und zu dem Zweck veranstalte ich eine Schnitzeljagd mit ihnen? Wie sollte ich ausgerechnet auf diesen See kommen?«
    »Keine Ahnung.«
    Es klopfte und einen Moment später stand Detective Rona Wedmore in der Tür. Ich fragte mich, wie lange sie wohl schon im Flur gestanden und uns zugehört hatte.
    »Grünes Licht«, sagte sie. »Die Taucher sind genehmigt.«

    Die Suche fand am folgenden Tag statt. Um zehn Uhr morgens würde ein Taucherteam der Polizei den See durchkämmen. Cynthia brachte Grace zur Schule; eine Nachbarin sollte sie nach Schulschluss abholen und mit zu sich nach Hause nehmen, falls wir bis dahin nicht zurück waren.
    Ich rief in der Highschool an und gab Rolly Bescheid, dass ich nicht kommen konnte.
    »Du lieber Gott«, sagte er. »Was gibt’s denn nun schon wieder?«
    Ich informierte ihn, was wir vorhatten.
    »Ich bin in Gedanken bei euch«, sagte er. »O Gott, das hört wohl nie auf. Okay, ich kümmere mich erst mal um eine Vertretung für die nächsten Tage. Irgendein pensionierter Kollege kann bestimmt auf die Schnelle einspringen.«
    »Aber nimm nicht die Frau mit dem Sprachfehler. Die machen die Kids zu Hackfleisch.« Ich hielt inne. »Kann ich dich mal was anderes fragen?«
    »Schieß los.«
    »Sagt dir der Name Connie Gormley etwas?«
    »Wer soll das sein?«
    »Eine Frau, die bei einem Unfall umkam, ein paar Monate bevor Cynthias Familie verschwunden ist. Weiter oben im Norden. Es sollte wie ein Unfall mit Fahrerflucht aussehen, war es aber anscheinend nicht.«
    »Da komme ich nicht mit«, sagte Rolly. »Ein Unfall mit Fahrerflucht, dann aber doch wieder nicht? Und was soll das mit Cynthias Familie zu tun haben?«
    Er klang leicht genervt. Allmählich begannen ihn meine Probleme und Verschwörungstheorien genauso herunterzuziehen wie mich selbst.
    »Weiß ich selbst nicht. Ich frage doch bloß. Schließlich kanntest du Clayton. Hat er dir gegenüber je etwas von einem Unfall erwähnt?«
    »Nein. Jedenfalls nicht, soweit ich mich entsinne. Und an so etwas würde ich mich hundertprozentig erinnern.«
    »Okay. Noch mal tausend Dank, dass du dich um die Vertretung kümmerst. Ich bin dir was schuldig.«
    Kurz danach machten wir uns auf den Weg; wir hatten mehr als zwei Stunden Fahrtweg vor uns. Mit uns führten wir eine Kopie der Skizze, die wir abgezeichnet hatten, ehe die Polizei den anonymen Brief in einem durchsichtigen Plastikbeutel mitgenommen hatte. Wir fuhren direkt durch, machten nirgendwo Kaffeepause. Wir hatte nur noch unser Ziel im Blick.
    Nun könnte man meinen, wir hätten den ganzen Weg über geredet und Mutmaßungen darüber angestellt, was die Taucher wohl finden würden. Tatsächlich aber sprachen wir kaum ein Wort, waren ganz in unsere Gedanken versunken. Worüber Cynthia nachdachte, konnte ich nur vermuten. Mir selbst schwirrte der Kopf. Was würden die Taucher finden? Und falls sie fündig wurden, würde es sich tatsächlich um Cynthias lange verschollene Verwandte handeln? Würden sie Hinweise finden, die Aufschluss über den oder die Mörder geben konnten?
    Schließlich passierten wir Otis, einen Weiler, der aus kaum mehr als ein paar Häusern bestand, die sich unweit der gewundenen zweispurigen Straße erstreckten, die weiter nach Lee und zum Massachusetts Turnpike führte. Wir hielten Ausschau nach der Fell’s Quarry Road, die in nördlicher Richtung abzweigen sollte,

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