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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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kennzeichneten offenbar ein Städtchen namens »Otis«, ein ovaler Umriss einen »Baggersee«, an dessen innerem Rand sich ein »X« befand. Ein paar andere Symbole auf der Zeichnung konnte ich nicht auf Anhieb deuten.
    Schweigend sah Cynthia mich an.
    Ich wendete das Blatt, und im selben Moment, als ich die getippte Nachricht sah, sprang mir etwas ins Auge, was mir einen leisen Schauder über den Rücken jagte. Und das, obwohl ich noch kein einziges Wort gelesen hatte.
    Aber ich hielt vorerst den Mund und las:

    Cynthia –
    langsam solltest Du erfahren, wo sie die ganze Zeit über waren. Wo sie vermutlich immer noch sind. Zwei Stunden nördlich von Milford befindet sich ein Baggersee, gleich hinter der Grenze zu Massachusetts. Es ist kein Badesee, sondern eine stillgelegte Kiesgrube. Der See ist ziemlich tief, und was dort auf dem Grund liegt, wird so schnell nicht entdeckt. Man erreicht ihn über den Highway 8 . Sobald Du in Massachusetts bist, fährst Du hinterOtis Richtung Westen; siehe umseitige Karte. Ein schmaler, hinter Bäumen verborgener Weg führt zum oberen Rand der Grube. Vorsicht, es geht steil bergab. Und genau dort, auf dem Grund des Sees, wirst Du die Antwort auf Deine Fragen finden.

    Abermals besah ich mir die Rückseite der Nachricht. Die Wegbeschreibung war genau skizziert.
    »Sie liegen auf dem Grund des Sees«, flüsterte Cynthia. Sie rang hörbar nach Atem. »Sie sind also … tot.« Vor meinen Augen begann alles zu verschwimmen. Ich blinzelte ein paarmal und nahm die anonyme Nachricht noch einmal in Augenschein.
    Sie war auf einer Schreibmaschine getippt worden. Nicht auf einem Computer.
    »Wo hast du den Umschlag gefunden?«, fragte ich und versuchte, so ruhig wie nur eben möglich zu klingen.
    »Er war bei der Geschäftspost in Pamelas Briefkasten«, sagte Cynthia. »Aber du siehst ja selbst, dass er nicht mit der normalen Post gekommen ist.«
    »Stimmt«, sagte ich. »Jemand hat ihn persönlich eingeworfen.«
    »Aber wer?«, fragte sie.
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Wir müssen zu diesem See fahren«, sagte sie. »Am besten sofort. Um endlich Klarheit zu bekommen.«
    »Ich habe Rona Wedmore Bescheid gegeben. Der Beamtin, die mich nach Tess’ Bestattung befragt hat. Lass uns mit ihr reden. Das müssen professionelle Taucher übernehmen.« Ich hielt kurz inne. »Aber ich wollte dichnoch etwas anderes fragen. Zu dem Brief. Hier, sieh dir mal die Schrift an …«
    »Sie dürfen keine Zeit verlieren«, sagte Cynthia. Sie klang, als würden ihre Verwandten noch leben, als bräuchten sie nur ein wenig die Luft anzuhalten, bis Rettung kam.
    Ich hörte, wie draußen ein Wagen vorfuhr, sah aus dem Fenster und erblickte Rona Wedmore, die auf unser Haus zumarschierte, als wolle sie ohne Vorankündigung durch die Tür brechen.
    Leise Panik ergriff Besitz von mir.
    »Schatz«, sagte ich. »Gibt es sonst noch etwas, was ich über diese Nachricht wissen sollte, bevor die Polizei hier ist? Sei bitte ehrlich zu mir.«
    »Wovon redest du?«, fragte sie.
    »Hier«, sagte ich, hielt ihr den Brief unter die Nase und richtete den Zeigefinger auf das Wörtchen »Zeit«. »Fällt dir nichts auf?«
    »Was denn?«
    Die Mittellinie des »e« war kaum sichtbar; der Buchstabe sah beinahe wie ein »c« aus.
    »Ich verstehe dich nicht«, sagte Cynthia. »Wieso ehrlich? Ich bin immer ehrlich zu dir.«
    Die Wedmore erklomm die Stufen zu unserer Haustür; gleich würde sie klopfen.
    »Ich gehe kurz mal nach oben«, sagte ich. »Machst du Detective Wedmore auf? Ich bin gleich wieder da.«
    Ehe Cynthia etwas erwidern konnte, lief ich nach oben. Mit halbem Ohr hörte ich, wie es zweimal laut und deutlich an der Tür klopfte und Cynthia öffnete. Dann war ich auch schon in meinem Arbeitszimmer.
    Und da stand meine alte Schreibmaschine, direkt neben dem Computer.
    Ich musste etwas unternehmen.
    Es bestand nicht der geringste Zweifel, dass die anonyme Nachricht, die Cynthia wahrscheinlich gerade Detective Wedmore zeigte, auf dieser Schreibmaschine getippt worden war. Das kaum lesbare »e« war Beweis genug.
    Ich wusste, dass ich den Brief nicht geschrieben hatte.
    Ich wusste, dass Grace dazu nicht in der Lage gewesen wäre.
    Was nur zwei andere Möglichkeiten offenließ. Entweder hatte der Fremde, der schon einmal in unser Haus eingebrochen war, meine Schreibmaschine benutzt, oder Cynthia hatte den Brief selbst geschrieben.
    Tatsache war, dass wir die Schlösser hatten auswechseln lassen. Und ich war mir

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