Ohne Ende Leben - Roman
»vierundzwanzig Cent.«
Das zu meinen übrig gebliebenen zweitausendneunhundertundneunzig Dollar gestohlenem Drogengeld addiert, gibt ganz bestimmt genug Knete für Flugtickets. Aber Gonzo hat keinen Führerschein. Kein Ausweis, kein Flug. Und da Balder zu dick ist, um ins Handgepäckfach zu passen, müssten wir ihn als Gepäckstück aufgeben. Scheiße.
Hoch über dem Highway schimmert ein trüber Regenbogen durch die Rauchfahnen und färbt den Himmel wie einen Ölteppich ein. Er endet in der Ferne, nahe den im Wind flatternden Wimpeln eines Autohauses. Und da erinnereich mich an den orangefarbenen Luftballon in unserem Zimmer.
»Los, kommt!«, sage ich und schultere meinen Rucksack. »Scheiß öffentliche Verkehrsmittel. Es wird Zeit, dass wir selbst ’n paar Räder untern Arsch kriegen!«
KAPITEL DREISSIG
In dem wir ein Auto kaufen und der Zwerg ein neues Outfit kriegt
Wir müssen fünfzehn Dollar unserer wertvollen Kohle für ein Taxi berappen, um über diesen Highway zu Arthur Limbauds Autohof zu kommen. Der Platz ist riesig, Tausende von Quadratmetern voller Wagen, deren Preise mit Schuhcreme auf die Windschutzscheiben geschmiert sind. Allerdings sind alle zu teuer für unser Budget. Düstere Aussichten. Wir gehen auf das niedrige Betongebäude in der Mitte zu, das mit farbenfrohen Plastikfähnchen dekoriert ist. Sie flattern im Wind und drehen sich wie Windmühlenflügel. Im Ausstellungsraum stehen wunderschön glänzende Autos auf erhöhten, rotierenden Podien. Das sind die Schau-mich-erst-gar-nicht-an-weil-du-dir-mich-sowieso-nicht-leisten kannst-Wagen. Ein großer Mann mit Anzug im Westernschnitt, Cowboystiefeln und Cowboyhut schreitet auf uns zu. Sein Gesicht ist zerknittert wie eine alte Landkarte, überall sieht man Runzeln. Er trägt einen dichten schwarzen Schnurrbart. Aus dem Mundwinkel lugt ein Zahnstocher, den er mit der Zunge bearbeitet und hin und her rollt. »Hi-dee«, sagt er und schüttelt fest meine Hand. »Willkommen bei
Limbaud’s Schönheiten aus zweiter Hand:
Jeder Wagen ein Prachtexemplar. Das is unser Motto. Was kannich für euch tun, Gen’lemen?«
»Also«, beginne ich.
»Ihr zwei Jungs habtn ganz besonderes Ziel? Lasst mich raten: Ihr habt grad die Highschool geschafft und nun wollter unser schönes Land sehn. Stimmt’s?«
»Yes, Sir«, sage ich in bester Pfadfinder-Manier. »Sie haben recht.«
»Nu quatscht nich so prächtich. Wo wollter zuerst hin?«
Ich sage »Montana« und Gonzo, zeitgleich, »Florida«.
»Is ne weite Reise«, sage ich.
»Well, is ja mächtich prächtich, mächtich prächtich.« Arthur grinst, mit seinem Zahnstocher zwischen den Zähnen, die wie Nikotinflecken aussehen. »Was für ne Schönheit habter denn im Auge?«
»Wir brauchen was, das nicht teuer ist«, sage ich und hoffe, dass er nicht lacht und uns rauswirft, wenn er hört, was wir ausgeben können.
»Wir hamm alles hier, mein Sohn. Kein Geldbeutel is zu klein.«
»Wir brauchen was für unter dreitausend Dollar …«, sage ich und beobachte, wie Arthurs Grinsen verblasst. »So ungefähr.«
»Dreitausend Dollar, hä?«, sagt er und stößt einen langen Pfiff aus, der den Zahnstocher vibrieren lässt.
»So ungefähr«, ergänzt Gonzo.
»Das bringt mich ’n bisschen in die Klemme«, sagt Arthur und schüttelt dabei traurig den Kopf. »Aber wenn ich seh, wie ihr Jungs mit eurem ganzen Herzen eure Heimat sehn wollt, und weil ich auch mal ’n junger Mann gewesen bin, lasst mich mal gucken, was ich für euch tun kann. Wartet mal.«
»Warum faxt du nicht gleich der Polizei unsere Reiseroute?«, frage ich Gonzo, als Arthur im Büro verschwindet.
»’tschuldigung«, sagt er.
»Könnt ihr mir was von diesem kostenlosen Plundergebäck besorgen?«, fragt Balder. Er stützt sich auf der Motorhaube eines funkelnden Pick-up-Trucks ab, wie eine bizarre Mischung aus Kühlerfigur und Verkehrsunfallopfer. Ich bringe ihm eine Quarktasche und einen Becher starken schwarzen Kaffee mit milchfreiem Kaffeeweißer, der die Oberfläche mit kleinen weißen Pünktchen übersät. Das sieht irgendwie krank aus, aber Balder trinkt ihn trotzdem.
»Hoffentlich kannst du deinen Kaffee zurückhalten, Gartenzwerg, weil wir nämlich unterwegs nicht anhalten werden«, sagt Gonzo.
»Ich bin derjenige, der schlau genug ist, sich gratis zu verköstigen, bevor wir losfahren.«
»Du weißt nicht, wie lange diese Dinger da herumliegen«, sagt Gonzo mit Schaudern, »oder wer sie betatscht hat. Das sind kleine
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