Ohne Ende Leben - Roman
Wandschrank.
»Also, wo waren wir?«, frage ich und rutsche aufs Bett zurück.
Staci krabbelt auf mich. Noch ein paar Küsse. Ich kriege einen Steifen und fange an, Staci zu befummeln. Sie protestiert nicht, aber das hat nicht unbedingt was zu bedeuten. Jeden Augenblick könnte ich »das Falsche« tun, und »das Falsche« könnte mit einer Ohrfeige enden und damit, dass ich den Abend zur Belohnung solo verbringe. Da das Fummeln ohne Komplikationen verläuft, wage ich jetzt ein bisschen mehr und entdecke den Verschluss ihres BHs. Immer noch keine Ohrfeige. Meine Finger mühen sich ab, dieHäkchen zu öffnen, die zweifelsohne von einer Gruppe Nonnen irgendwo in einem Kloster hergestellt wurden. Staci richtet sich auf. Scheiße, ich habe »das Falsche« gemacht.
»Warte«, sagt Staci und kichert. »Ich helf dir.« Sie schenkt mir ein neckisches Lächeln, beißt sich in die Oberlippe, bewegt die Hände so hinter dem Rücken, dass ihre Brüste praktisch vor meiner Nase tanzen. Zwei Sekunden später fliegt der BH durchs Zimmer und landet auf dem Fernseher. Allerdings hat sie noch ihr Shirt an.
»Warte mal. Ich muss Pipi machen.« Sie tappt zur Toilette.
Oh mein Gott! Ich glaub, ich bin gerade dabei, Sex zu haben. Mit Staci Johnson!
Was kommt jetzt? Keine Ahnung. Musik anmachen? Ja, ich habe das Gefühl, wir sollten Musik hören. Aber alles, was ich dabeihabe, sind diese
Great Tremolo -CDs
. Jetzt, in diesem Augenblick, würde ich jemanden umbringen für ein Junior-Webster-Album. Aber
Tremolo
wird reichen müssen. Ich lege
Viver É Amar, Amar É Viver
ein und drücke auf Play.
Die Spülung rauscht. Staci kommt aus der Toilette und fällt praktisch ins Bett. Das bringt sie noch mal zum Lachen. »Was ist das?«, fragt sie und meint die Musik.
»
The Great Tremolo
. Hast du schon mal was von ihm gehört?«
Staci rümpft die Nase. »Nein. Moment, ist das nicht eine dieser schottischen Bands? Singt der nicht gerade Schottisch?«
»Das ist keine Band.
Great Tremolo
ist ein Typ, der portugiesische Liebeslieder singt, die immer traurig enden.«
»Oh.« Staci setzt sich auf meinen Schoß. Inzwischen hatsie ihre Zähne mit meiner Zahnbürste geputzt. Zwischen Zahnpasta und Bier duftet ihr Atem eigenartig nach einer Mischung aus Pfefferminze und vergammelten Weintrauben.
»Er spielt auch Ukulele.« Meine Geilheit lässt nach. Als ob die Unterbrechung gerade eben nicht schon genügen würde, mich wieder nervös zu machen. »Möchtest du noch was von ihm hören?«
Staci leckt sich die Lippen. »Möchtest du das?« Sie schlüpft mit ihren Händen unter mein Shirt und reibt über meine Brustwarzen, als ob sie das in irgendeiner Illustrierten gelesen hat und es jetzt ausprobieren möchte. Oh mein Gott, sie geht ganz schön zur Sache!
»Hör dir nur noch einen Song an«, sage ich. Ich fasse sie an den Handgelenken und ziehe ihre Hände von meiner Brust. Als
Tremolo
die Zeile über das Glück im Antlitz seiner Liebsten im Flüsterton singt, drehe ich die Lautstärke hoch. Das ist irgendwie wunderschön. Kitschig, aber innig und traurig und glücklich zugleich.
Staci lacht so heftig, dass ich fürchte, sie wird gleich aus dem Bett fallen. »Ohmeingott. Dieser Typ singt so was von ätzend. Zum Totlachen! Du solltest das unbedingt auf deine Facebook-Seite stellen oder so.«
Ich nicke und wünsche mir plötzlich, sie wäre nicht hier.
Ich sah dir ins Gesicht und erblickte nichts als Glückseligkeit
. Ich frage mich, ob mein Dad das jemals für meine Mom empfunden hat oder meine Mom für Jenna und mich. Ich fühle mich irgendwie beschissen, weil ich sie so zurückgelassen habe, ohne Nachricht, ohne irgendeine Art von Abschied. Ich weiß nicht, zum ersten Mal schlägt mir der Song auf den Magen. Unter den Flötentönen und unter der eigenartigen lyrischen Sprache spüre ich diesen Schmerz,von dem Eubie erzählt hat. Diese Sehnsucht nach etwas, nach jemandem. Und da schießt mir Dulcies Gesicht in den Sinn, einfach so. Wie das weiche Licht ihr Gesicht umspielt, wie sie alberne Grimassen schneidet, ihre staunenden Augen, wenn sie lächelt.
»Amor, amor, o meu amor«
, singt
Great Tremolo
und zum ersten Mal fühle ich jeden Ton.
»Was für ein Vollidiot«, lacht Staci.
Ich schalte die Musik aus. Ich will nicht, dass sie noch einen Ton davon hört. Ich will nicht, dass sie sich über
Great Tremolo
lustig macht.
»Was ist los?«, fragt sie und setzt sich auf die Knie. Ihr Shirt ist immer noch halb heruntergerutscht.
»Nichts«,
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