Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
Musikband, wah ?«, antwortete der Verkäufer matt.
» Ja! Da kieckste, wah!«, erwiderte ich mit dem Krümel Berlinerisch, das ich bis dahin gelernt hatte, nahm mir die Soja-Soße, nachdem ich einige Flaschen in ein anderes Regal geräumt hatte, und ging zur Selbstbedienungskasse. Ein paar Tage später fand ich einen Werbeprospekt des Supermarktes, auf dem mein Slogan stand »Da kieckste, wah!«.
In Friedrichshain war ich von der anfänglichen Herzenswärme meiner Mitbürger ergriffen. Sie grüßten mich aus der Ferne, mit einem leichten Sonntagmorgenlächeln, und winkten mir zu, wie man es sonst nur von den pompösen Geburtstagsparaden des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il kennt. Ein Neubeginn kann spannend sein. Sogar die Frauen winkten und lächelten mir zu, als wäre ich Johnny Depp. Ich kam zu der Erkenntnis, dass Friedrichshain eine Oase der Liebe und Nächstenliebe ist. Die Menschen sind zuvorkommend und freundlich, dachte ich. Hier lässt sich mein Bestreben, den demographischen Wandel zu Gunsten der Koreaner in Deutschland anzukurbeln, damit sie eines Tages so wahrgenommen werden wie die Türken, realisieren! Alles wird sich zum Guten wenden! Mein Migrationshintergrund rückte in den Hintergrund. Endlich wurde ich nicht aufgrund meines asiatischen Äußeren beurteilt und vom weiblichen Geschlecht als »japanischer« Lustmolch abgestempelt, sondern nach dem Wesen meines Charakters. Das erste Mal in meinem noch jungen deutsch-koreanischen Leben fühlte ich mich umarmt, akzeptiert und endlich angekommen.
Doch die Idylle trog. Sie war mehr Schein als Sein. Beim Warten auf die Ankunft eines Freundes an der S-Bahn-Haltestelle Warschauer Straße kam ein älterer Mann auf mich zu. »Zigaretten?«, fragte er wie ein russischer Schwarzmarkthändler. Erstaunt, nicht, weil er die Frage ohne eine Form von Begrüßung stellte, sondern über die Verwendung des Plurals, winkte ich höflich ab. »Tut mir leid. Ich bin Nichtraucher!« Dennoch war ich begeistert. Denn dass Menschen von sich aus auf mich zukamen und mich ansprachen, war, deutsche Zollbeamte einmal ausgenommen, in meinem Leben rar. Stets musste ich das Eis brechen. Die kurzen Wortwechsel, die sich in den folgenden Wochen in Friedrichshain ergaben, beschränkten sich zwar auf Zigaretten oder aber auf die Frage, für wen ich arbeite, doch die Geste und der gute Wille zählten für mich.
Als sich die Anfragen nach Zigaretten und meinem Arbeitgeber häuften, immer, wenn ich wartend an U- oder S-Bahn-Haltestellen stand, wurde es mir langsam zu bunt. Ich wollte den Dingen auf den Grund gehen und mir den Seetang nicht vom Kimbab nehmen lassen. Denn die Enttäuschung war den Menschen förmlich ins Gesicht geschrieben, wenn ich ihnen außer heißer Luft kein Nikotin anbieten konnte und ihnen die Auskunft über meinen Arbeitgeber verweigerte. Der Tsunami an freundlichem Begrüßen, wie ich ihn in den Anfangstagen erlebt hatte, ebbte plötzlich ab. Das Zuwinken wurde von mal zu mal weniger, und das Sonntagmorgenlächeln der Menschen verschwand. Sogar die Frauen wandten sich von mir ab. In ihren Augen war ich allerhöchstens noch ein Johnny Depp für Arme. Selbst meine Nachbarn, die mir anfangs noch die Tür aufhielten, als ich mit Einkaufstüten vom Supermarkt kam, knallten sie mir jetzt vor der Nase zu. Ich bekam die volle Gefühlskälte der Menschen zu spüren. Das nagte an mir. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich meine Sympathiepunkte verspielt hatte, bevor ich mich überhaupt richtig hatte vorstellen können.
Ich beschloss, der Sache nachzugehen, und fand dabei heraus, dass Berlin eine Hochburg illegalen Zigarettenhandels und in fester Hand der Vietnamesen ist. Sie verkaufen Zigaretten der Marke »Jin Ling«. Produziert in der Ukraine werden die Zigaretten durch vietnamesische Wirtschaftsmogule an den Mann gebracht. Verschwörungstheoretiker glauben, dass die Politik hinter all dem steckt und die Vietnamesen nur Mittel zum Zweck sind, so wie die Exilkubaner in der Schweinebucht von den Amerikanern benutzt wurden. Ziel der Politik sei es nämlich, die Menschen im linksorientierten Kiez abhängig zu machen, um politische sowie wirtschaftliche Interessen rechter Orientierung durchzusetzen – nur so kann der Kiez aus der linken Isolation befreit werden.
»Die Friedrichshainer benehmen sich seit der Einführung von Jin Ling sehr seltsam«, erzählte mir ein Obdachloser während meiner Ermittlungsphase. »Die haben so glasige Augen und schweben in der Luft«,
Weitere Kostenlose Bücher