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Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
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Friedrichshainer«.
    Der Kiez tickt links. Das Herz schlägt grün. Hier wohne ich in einer Straße, benannt nach dem Arzt und Astronomen Nikolaus Kopernikus. Meine Altbauwohnung liegt im zweiten Stockwerk des Seitenflügels. Sie ist klein und schief geschnitten. Der Wind zieht durch die alten Fenster. Die Wände sind dünn. Der Holzboden ist abgenutzt, die Heizung so launisch wie eine Diva und die Hausklingel kaputt.
    Mein Nachbar, der über mir lebt, ist von Beruf DJ. Das aber erfuhr ich erst nach meinem Einzug. Dem täglichen Trainieren seiner Fingerfertigkeiten und Feilen seines Talentes nach zu urteilen, muss er tatsächlich der Gott unter den DJs sein. Als ich ihn zum wiederholten Male bat, die Musik ein wenig leiser zu stellen, bot er mir als Entschädigung für die ständigen Ruhestörungen an, bei einer großen Straßenparade als VIP auf einem der Hauptwagen mitzufahren. Wie denn die bunte Parade heiße, hakte ich nach. »Christopher-Street-Day!«, entgegnete er so lässig wie ein Cowboy und fügte unbekümmert hinzu: »Das Pride-Festival steht unter dem Motto: Stück für Stück ins Homo-Glück – Alle Rechte für alle.« Ich winkte höflich ab und versicherte ihm, dass ich bereits ein überaus glücklicher Mensch sei und das große Glück bereits gefunden hätte. Ich wünschte ihm, dass auch er zu seinem Glück gelangen möge, und verabschiedete mich von DJ Gott. Es muss gewirkt haben, denn seit einiger Zeit vibrieren meine Wände nicht mehr von den Bässen elektronischer Musik, sondern vom Liebesglück meines DJ-Nachbarn. Schon seit Monaten habe ich ihn nicht mehr im Flur angetroffen. Liebe muss wundervoll sein. Und bei uns im Haus sind wir um einen toleranten Nachbarn reicher geworden – Mr. und Mr. DJ. Mein DJ-Hausgenosse und sein gefundenes Glück leben nun in einer häuslichen Partnerschaft. Wenn Gott ein DJ wäre, dann bin ich ihm schon sehr oft begegnet und weiß um seine Vorlieben. Er trägt einen Victor-Emanuel-Bart und pinke Röhrenjeans mit Schlangenmuster. In Kreuzberg mögen viele unterschiedliche Nationalitäten heimisch sein; in Friedrichshain sind es vor allem unterschiedliche Typen.
    In Berlin wollte ich möglichst weit weg von jeglichen Eisstadien leben. Nur auf diesem Wege könnte ich mit dem Kapitel Eishockey abschließen. Doch die solvente amerikanische Anschutz Investoren Gruppe machte mir einen Strich durch die Rechnung. Nur einen Steinwurf von meiner Wohnung entfernt hat Anschutz eine millionenschwere Multifunktionshalle gebaut. Die O2 World Arena ist unter anderem die neue Spielstätte der Berliner Eisbären. Um ihren Unmut gegenüber der Arena auszudrücken, stellten die Linken ein Riesenplakat mit der Aufschrift Hartz-4 World Arena – Welcome to the H4 World Arena auf, verteilten Flugblätter an der Warschauer Brücke und organisierten Demonstrationen, an denen ich mich beteiligte. Die Linken erfreuten sich daran, dass sich auch ein besorgter vietnamesischer Wutbürger für die Versenkung der Mediaspree einsetzte. Um die brüderliche und revolutionäre Atmosphäre nicht zu stören, behielt ich die wahre Intention meiner Teilnahme für mich. Alle Proteste und Unterschriftenaktionen halfen nicht. Der Kapitalismus setzte seinen Siegeszug auch in Friedrichshain fort. An jedem Spieltag der Eisbären werde ich durch die Fans, die am Kiosk an der S-Bahn-Station Warschauer Straße vorglühen, weiter an meine Eishockeyzeit erinnert. Zumindest konnte ich mich damit trösten, dass der Hype um den Eisbär Knut mit seinem Ableben nachließ. Das Leben ist erbarmungslos.
    Friedrichshain ist ein Stadtbezirk, der niemals schläft, der kritischen Denker, der alternativen Wohnprojekte, der Hausbesetzer, der Haute-Couture-Punks, Heimat der Dreadlock-Mütter, die nicht selten ihre Kinder Marie Johanna nennen, Aushängeschild aller antikapitalistischen Dienstleistungsgesellschaften, Zufluchtsort der Leergutmillionäre und ein Platz, an dem man Schmied seines eigenen Glückes werden kann. Die Kreativität und Lebensfreude des Kiezes treten gerade bei den Pfandflaschensammlern zum Vorschein. Auch hier gilt Vorsprung durch Technik. Nutzte man vorher illegal entfernte Einkaufswagen von sämtlichen Supermärkten oder umweltfeindliche Plastiktüten, zieht man nun mit selbstgebastelten Hybridkarren und eleganten Trollis von Mülltonne zu Mülltonne. In Friedrichshain trotzt man der vermuteten Entsolidarisierung unserer Gesellschaft. Anonyme Spender stellen ihre leergetrunkenen Bierflaschen der Einfachheit

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