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Ohne Gewaehr

Ohne Gewaehr

Titel: Ohne Gewaehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renee R. Picard
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strahlte Wärme und Ruhe aus, die matten Farben waren derart aufeinander
abgestimmt, dass ich annahm, ein Designer hatte die Einrichtung nach
Erkenntnissen aus der Psychoanalyse ausgesucht. Vermutlich waren Grün- und
Rottöne besonders geeignet, um Leute zum Sprechen zu bringen?
    Dr. Theodore setzte sich hinter seinen Schreibtisch und
schlug eine neue Seite in seinem Notizbuch auf. Das Buch sah mitgenommen aus,
als ob es die Einträge seines Besitzers kaum noch ertragen konnte. Der
Psychologe verbrachte offensichtlich viel Zeit damit, seine Notizen zu
studieren.
    Dann setzte er eine goldumrahmte, viel zu große Brille
auf, die an einer Kette um seinen Hals hing. Er räusperte sich. Offenbar ging
es jetzt los. Ich konnte meinen Blick nicht von der albernen Brille abwenden,
sie ließ die Augen des Psychologen riesig wirken, er sah damit aus wie ein überdimensionales,
hässliches Insekt. Misstrauisch überlegte ich, ob dieser Effekt ebenfalls
gewollt sein könnte? Wusste Dr. Theodore, dass er im Moment Ähnlichkeit mit einer
Comicfigur hatte? Ich blickte zu Daniel hinüber, der mich aber gar nicht
wahrzunehmen schien.
    »Miss Walles, Sie kennen sicher schon meinen Namen?«
Der Psychologe lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Ich nickte.
    »Gut. Dann möchte ich Ihnen zunächst kurz schildern,
warum wir hier sind und was Ihre Rolle hier ist.« Ich sah ihn unverwandt an und
wunderte mich im Stillen noch immer, wieso er solch eine unpassende Brille
trug.
    »Mr. Stone hat sich in meine Behandlung begeben,
nachdem er einige Male die Kontrolle über sich selbst verloren zu haben glaubt.
Er hat berichtet, dass er Ihnen dabei jedes Mal Schmerzen zugefügt hat. Und nun
möchte er die Ursachen für diese Kontrollverluste herausfinden und verhindern,
dass so etwas noch einmal vorkommt.« Ich nickte bei den Worten, soweit kam mir
alles bekannt vor.
    »Das alles ist jedoch Gegenstand seiner Einzeltherapie.
In Zukunft ist es vielleicht nötig, Sie auch dort mit einzubeziehen, aber im
Moment befinden wir uns in einer Phase, in der ich mit Mr. Stone allein über seine
seelische Verfassung spreche.«
    Und warum war ich dann hier?
    Der Doktor fuhr unbeirrt fort: »Mr. Stone hat mir auch
davon berichtet, dass Sie beide bald heiraten werden?« Er sah mich fragend an
und ich nickte bestätigend.
    »Obwohl Sie sich erst seit kurzer Zeit kennen«, fuhr er
fort.
    Ich errötete.
    »Aufgrund der ungewöhnlichen Umstände Ihrer Beziehung
hat Mr. Stone mich daher gebeten, mit Ihnen zusammen eine Paartherapie zu
beginnen. Das soll seinen eingeschlagenen Weg unterstützen und ihm auf
praktische Art dabei helfen, mit seinem derzeitigen Zustand besser umzugehen,
auch wenn ein echter Durchbruch oder gar eine Heilung noch auf sich warten lassen.«
    »Mit anderen Worten, die Paartherapie soll unsere
Beziehung solange am Laufen halten, bis Sie die Gründe für Daniels Wutausbrüche
gefunden haben?«, fragte ich verwundert. Was hatte er sich dabei gedacht? Er
hatte mich lediglich gebeten, seinem Treffen beizuwohnen. Davon, dass man mich
auch behandeln wollte, war nie die Rede gewesen.
    »Ja, das stimmt. Und nach allem, was ich über Ihre
Beziehung mit Mr. Stone erfahren habe, empfehle ich Ihnen dringend, sich über
einige Aspekte Ihres Zusammenlebens mehr Gedanken zu machen.«
    Ich fühlte mich überrumpelt. Ich war gern bereit,
Daniel zu helfen, aber wieso kam ich gleich mit in eine Therapie? Das Leben mit
ihm mochte verwirrend und zuweilen  anstrengend sein, aber mit ein bisschen Geduld
konnten wir doch alles selbst in den Griff zu bekommen? Ich starrte ihn von der
Seite aus an und bemühte mich, ihn Kraft meines Blickes zu zwingen, zu mir
aufzublicken. Aber meine Anstrengungen verhallten wirkungslos, Daniel studierte
weiter stur den Fußboden. Ihm war anzumerken, wie sehr die vergangene Stunde
ihn entmutigt und aufgewühlt hatte.
    Dr. Theodore beobachtete uns von seinem Schreibtisch
aus, machte hin und wieder Notizen und hatte jetzt die von mir ausgefüllten
Fragebögen in der Hand.
    »Miss Walles, ich möchte Ihnen zunächst einen Überblick
über meine Arbeitsweise geben, damit Sie sich auf die Sitzungen besser
einstellen können. Alles, was in diesen Raum besprochen wird, bleibt auch hier.
Sie können und müssen frei über Ihre Ängste, Sorgen, Vorstellungen und Wünsche
sprechen. Dasselbe gilt natürlich auch für Daniel. Ich werde Ihnen vornehmlich
Fragen stellen, die Ihre Gedanken und Überlegungen in die gewünschte Richtung
lenken, um

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