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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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sogleich ihr Urteil revidieren.
    Miller kam über den Rasen auf sie zu und schloss sich ihr an. Im Gleichschritt schlenderten beide weiter. Polizeiarbeit hatte manchmal auch ein bisschen was von Schauspielerei. Heute mimten sie ein Paar beim Morgenspaziergang. Millers zerknitterter brauner Anzug war für einen solchen Anlass vielleicht ein wenig zu vornehm, D.   D. hingegen sah in der engen Hose und ihrer Lederjacke einfach umwerfend aus.
    «Sandra Jones arbeitet in der Mittelschule», begann Miller. Er sprach leise und gehetzt. «Gemeinschaftskunde, sechste Klasse. Zwei Kollegen sind noch vor Ort und stellen Fragen, aber es scheint, dass niemand etwas von ihr gehört hat, seit sie gestern gegen halb vier die Schule verließ. Wir haben in der näheren Umgebung sämtliche Geschäfte und Kneipen abgeklappert. Nichts. Die Spüle ist voller Geschirr, auf dem Küchentisch liegen ihre Handtasche und ein Stapel korrigierter Klassenarbeiten. Laut Auskunft des Ehemanns macht sich Sandra immer erst dann an ihre Arbeit, wenn sie ihre Tochter um acht ins Bett gebracht hat. Wir gehen davon aus, dass sie mit ihrer Tochter mindestens bis halb neun, neun zu Hause war. Auf ihrem Handy sind nach sechs keine ein- oder ausgehenden Anrufe aufgelistet. Ob übers Festnetz telefoniert wurde, wird gerade überprüft.»
    «Gibt es Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins?», fragte D.   D.   Die Sonne hatte sich endlich durch die graue Wolkendecke gebrannt, doch es blieb kalt, und der Wind, der vom Meer herbeiwehte, drang ihr durch die Lederjacke.
    «Nein, nur ihr Vater. Lebt in Georgia, die beiden haben sich allerdings ziemlich entfremdet. Der Ehemann wollte nichts Näheres dazu sagen. Nur dass diese alte Geschichte für ihr Verschwinden ohne Belang sei.»
    «Nett, dass der Gatte uns das Denken abnimmt. Haben Sie sich mit dem Vater in Verbindung gesetzt?»
    «Ich hätte es getan, wenn ich wüsste, wie er heißt.»
    «Hat der Ehemann den Namen nicht genannt?» D.   D. war verblüfft.
    Miller schüttelte den Kopf. Auch er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und atmete dünne Dampfwölkchen aus. «Sie werden ihn noch kennenlernen. Machen Sie sich auf was gefasst. Haben Sie schon mal diese T V-Serie gesehen, die im Krankenhaus spielt?»
    «
Emergency Room?»
    «Nein. Kommt mehr Sex drin vor.»
    «
Grey’s Anatomy?»
    «Genau die. Wie war noch gleich der Name dieses Arztes? McDuff, McDevon   …»
    «McDreamy?»
    «Stimmt. Mr   Jones könnte ein Zwillingsbruder sein. Der gleiche Dreitagebart und dieses Gefransel auf dem Kopf. Ich kann’s mir schon lebhaft vorstellen, wenn der auf den Titelseiten erscheint, wird er mehr Fanpost bekommen als Scott Peterson. Schätze, uns bleiben noch rund zwanzig Stunden. Entweder Sandra Jones ist bis dahin gefunden, oder wir sind am Arsch.»
    D.   D. seufzte. Die beiden hatten das Ufer erreicht und bogen nach rechts. «Männer sind nicht zurechnungsfähig», murmelte sie ungeduldig. «Mittlerweile kommtim Wochenrhythmus irgendein gutaussehender, vom Leben verwöhnter Typ daher und versucht seine Eheprobleme zu lösen, indem er seine Frau umbringt und behauptet, sie sei verschwunden. Und sofort stürzt sich die Presse darauf   –»
    «Wir haben eine Wette laufen. Fünf zu eins auf Nancy Grace, vier zu eins auf Greta Van Susteren.»
    D.   D. warf ihrem Kollegen einen schiefen Blick zu. «Woche für Woche das gleiche Spiel. Die Polizei stellt eine Sondereinheit auf die Beine, Freiwillige durchkämmen die Wälder, die Küstenwache siebt den Hafen durch, und was dann?»
    Miller schaute sie fragend an.
    «Die Leiche der Frau wird gefunden, und der Ehemann landet zwanzig Jahre bis lebenslänglich im Knast. Sollte man nicht meinen, dass inzwischen mindestens einer dieser Typen begriffen hat, dass es besser ist, eine altmodische Scheidung durchzuziehen?»
    Miller hatte dazu nichts zu sagen.
    D.   D. seufzte wieder und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. «Na schön, was sagt Ihr Bauch? Glauben Sie, die Frau ist tot?»
    «Wahrscheinlich», antwortete Miller geradeheraus. «Zerbrochene Lampe, fehlende Steppdecke. Vermutlich ist darin die Leiche eingewickelt und weggeschafft worden. Und weil solche Decken schön saugfähig sind, haben wir kein Blut gefunden.»
    «Glauben Sie, der Ehemann war’s?»
    Miller zog ein zusammengefaltetes gelbes Blatt Papier aus der Innentasche seines braunen Sportjacketts undreichte es ihr. «Das wird Ihnen gefallen. Der Ehemann war zwar, wie gesagt, nicht gerade kooperativ,

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